Stuttgart 21 und kein Ende

Der ewige Bahnhof

Die Diskussionen über Stuttgart 21 gehen weiter. Für neuen Gesprächsstoff sorgt jetzt ein Dossier des Bundesverkehrsministeriums.

Auf der Samstagsdemonstration gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S 21) herrschte nicht gerade Euphorie. Die wenigen Hundert »Parkschützer«, die durch den Schlosspark marschierten, reagierten mit abwartender Zurückhaltung auf die Spekulationen über eine bevorstehende Aufgabe des Bauvorhabens.
Bereits im Dezember musste die Deutsche Bahn (DB) zugeben, dass der Tiefbahnhof wesentlich teurer werden würde als geplant und dass mit einer Bauzeit bis 2024 statt wie ursprünglich gedacht bis 2019 zu rechnen sei. Derzeit berät der Aufsichtsrat, ob das Unternehmen, wie von Rüdiger Grube, dem Vorstandsvorsitzenden der DB, vorgeschlagen, die bisher anfallenden 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten selbst übernehmen kann.
Die Diskussion wird befeuert durch ein vorige Woche bekannt gewordenes Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium, in dem die Kostenangaben der Bahn angezweifelt, weitere Kostenrisiken befürchtet und letztlich die Wirtschaftlichkeit von S 21 in Frage gestellt werden. Abschließend heißt es in dem der Stuttgarter Zeitung zugespielten Dokument: »Die Argumente, eine weitere Finanzierung nicht abzulehnen, sind zu schwach.«
In Interviews mit der Lokalpresse hatte Anton Hofreiter (Grüne), der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages, bereits im Januar über einen internen Konflikt bei der Bahn gesprochen und berichtet, dass die Weigerung von Utz-Hellmuth Felcht, dem Vorsitzenden des DB-Aufsichtsrats, dem Bundestag über die Kostenentwicklung zu berichten, parteiübergreifend für Verärgerung gesorgt habe.

Offensichtlich verdanken die Gegner von S 21 die neue Hoffnung auf einen späten Ausstieg aus dem Bauprojekt weniger ihren 160 Montagsdemonstationen und unzähligen »Schwabenstreichen«, sondern den zahlreichen im Zuge des Bauvorhabens zutage tretenden Fehlern und Problemen, die in auffälliger Weise an den Berliner Flughafenskandal erinnern. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) behauptete zwar, das Dossier käme »aus der untersten Ebene« seines Ministeriums, doch die politischen Konsequenzen eines möglichen Kosten- und Termindebakels ähnlich dem auf der Berliner Flughabenbaustelle werden nun offenbar auch auf höchster Ebene thematisiert. Immerhin sitzen Vertreter dreier Bundesministerien im Aufsichtsrat, der sich infolge der Kostensteigerung jetzt auch mit Haftungsfragen beschäftigen muss. Das Dossier wirft dem DB-Vorstand vor, er habe den Aufsichtsrat zu spät über die Kostensteigerung informiert und Bauaufträge auf der Grundlage von »falschen Annahmen« vergeben. Hofreiter mahnte in der Süddeutschen Zeitung, man müsse prüfen, ob neben dem Vorstand nicht auch die Aufsichtsräte in Haftung zu nehmen seien.

In Baden-Württemberg werden dagegen die Grünen beschuldigt, das Bahnhofsprojekt zu hintertreiben. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Peter Hauk, forderte »ein Ende der Panikmache«. Unterstützung erhielt er von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, der das Dossier für eine »gezielte Stimmungsmache« gegen S 21 hält. Dabei beobachten die grünen Landes- und Stadtpolitiker den Stimmungsumschwung in Berlin eher gelassen. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn freut sich über »die neue Nachdenklichkeit beim Bund«, während Ministerpräsident Winfried Kretschmann versichert: »Wir eröffnen keine Ausstiegsdebatte.« Allein das Aktionsbündnis gegen S 21 verlangt einen sofortigen Baustopp. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, dessen Regionalverband Stuttgart Teil des Bündnisses ist, forderte den Aufsichtsrat auf, in der für Anfang März geplanten Sondersitzung »die Notbremse zu ziehen«.
Die Bahn warnt derweil nicht nur vor den Kosten eines sofortigen Aus- oder Umstiegs. Jede Alternativplanung, sowohl das Projekt »K 21«, das eine Modernisierung des Kopfbahnhofs vorsieht, als auch Heiner Geißlers Schlichtungsvorschlag, eine Kombination aus einem verkleinerten Tief- und modernisiertem Kopfbahnhof, würde einen noch höheren Zeitaufwand bedeuten. Der DB-Vorstand kommt deshalb zu der lapidaren Einschätzung: »Unter den gegenwärtigen Randbedingungen würde man ein solches Projekt heute nicht beginnen, aber fortführen.« Dass einer aktuellen Emnid-Umfrage zufolge auch die Mehrheit der befragten Baden-Württemberger für den Weiterbau plädiert, mag daran liegen, dass der Kopfbahnhof als Dauerbaustelle noch hässlicher wäre und zu erheblichen Störungen im Zug- und S-Bahnverkehr führen würde.