Der Korruptionsskandal in Spanien

Der Gürtel wird enger

In Spanien steht die Spitze der regierenden Volkspartei im Zentrum eines Korruptionsskandals. Der Fall steht in der Tradition dubioser Geschäfte der Konservativen.

Ein Millionen Euro schweres Schweizer Nummernkonto, zugelassen auf eine Stiftung aus Panama, über das Unternehmer ihnen wohlgesinnte Politiker bis in die Regierungsspitze finanzieren. Was sich wie der Plot eines durchschnitt­lichen Thrillers liest, war in Spanien offenbar Realität. Fast die gesamte Führungsebene des regierenden Partido Popular (PP) soll sich jahrelang auf diese Weise einen illegalen Bonus verschafft haben. Medienberichten zufolge haben Ministerpräsident Mariano Rajoy und weitere Spitzenpolitiker des PP regelmäßig Zahlungen im fünfstelligen Bereich aus einem Schwarzgeldfundus erhalten. Das Geld stammte vorrangig aus Spenden der Baubranche, die insgesamt 22 Millionen Euro lagen auf Konten der Dresdner Bank in Genf, die vom ehemaligen Schatzmeister des PP, Luis Bárcenas, verwaltet wurden. Die Tageszeitung El País hatte vor zwei Wochen seine Buchführung veröffentlicht und damit den Skandal ausgelöst.

Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass allein Rajoy insgesamt über 300 000 Euro erhalten haben soll, stets bar in unauffälligen Briefumschlägen, wie der ehemalige PP-Abgeordnete Jorge Trías Sagnier ausgeplaudert hat. Vor der Antikorruptionsbehörde bestätigte Trías Sagnier die Echtheit der veröffentlichten Dokumente. Bárcenas bestreitet ebenso wie sein Amtsvorgänger Álvaro Lapuerta sämtliche Vorwürfe. Auch die Parteispitze bezeichnete die Geschichte als Lüge und kündigte Klagen an. »Wir werden nicht zulassen, dass man behauptet, dass auch nur ein führendes Mitglied dieser Partei sich unehrenhaft verhalten habe«, erklärte die Generalsekretärin des PP, María Dolores de Cospedal, die selbst mit einer Zuwendung von 7 500 Euro in den Dokumenten auftaucht. Die Generalstaats­anwaltschaft hat mittlerweile von Bárcenas und Lapuerta Schriftproben genommen und die Absicht angedeutet, zur Aufklärung notfalls auch Rajoy vorzuladen.
Die Affäre knüpft an den »Caso Gürtel« an, in dem 2009 ein mafiöses Netzwerk von Politikern des PP und Unternehmern mit Schwerpunkt in Valencia und Madrid aufgeflogen war. »Gürtel« ist die deutsche Übersetzung des Namens der zentralen Figur des Skandals, des Unternehmers Francisco Correa. Politiker hatten ihm und anderen Unternehmern lukrative und zum Teil fik­tive Aufträge verschafft und bekamen im Gegenzug Reisen, teure Anzüge und Familienfeste spendiert. Seit dem Bekanntwerden des Netzwerks vor vier Jahren tauchen im Fall »Gürtel« immer wieder neue Enthüllungen auf, regelmäßig werden weitere Namen aus dem Umfeld der Volkspartei genannt. Bárcenas musste bereits zu Beginn dieser Affäre zurücktreten, da er 1,35 Millionen Euro von Correa angenommen haben soll. Im Rahmen der Ermittlungen war man nun auf seine Schweizer Konten gestoßen.

Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt, sondern vielmehr um den Ausdruck einer Mentalität des politischen Establishments, die vor allem, aber nicht nur bei den Konservativen weit verbreitet scheint. Korruptionsfälle ziehen sich in Spanien wie ein roter ­Faden durch die Tagespolitik. Derzeit steht Iñaki Urdangarín, der Schwiegersohn des spanischen Königs Juan Carlos, vor Gericht, da er öffentliche Gelder in Millionenhöhe in die eigene Tasche gesteckt haben soll. Der PP-Politiker Rafael Blasco von der valencianischen Regionalregierung soll sechs Millionen Euro Entwicklungsgeld veruntreut haben. In der katalanischen Indus­triestadt Sabadell musste im November der sozialdemokratische Bürgermeister, Manuel Bustos, nebst engen Vertrauten wegen Bestechung zurücktreten. Der Tageszeitung Público zufolge laufen derzeit gegen mehr als 300 spanische Politikerinnen und Politiker Ermittlungen wegen Korruption.
Vergangene Woche nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren spanischen Amtskollegen bei seinem Besuch in Berlin in Schutz. Korruption sei kein Thema gewesen, sagte Merkel auf Nachfrage. Stattdessen lobte sie Rajoys Sparprogramme, die sie mit »großer Bewunderung und Hochachtung« betrachte. In Spanien hingegen wird weiterhin gegen die Sparpolitik protestiert, derzeit vor allem gegen geplante Privatisierungen im Gesundheitssystem und Kürzungen im Bildungsbereich. Eine Richtervereinigung hat für den 20. Februar zum Streik gegen die Justizreform aufgerufen. Diese würde nicht nur den kostenfreien Zugang zum Rechtssystem einschränken, sondern durch Stellenabbau auch die Verfolgung von Korruption erschweren, so die Kritik. Kurz erschien es vergangene Woche sogar, als habe der innerspanische Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht. Im Zentrum Madrids wurde in einer nahe dem Königspalast gelegenen Kathedrale ein Sprengsatz entschärft. Zu dem Anschlag bekannte sich eine bisher unbekannte anarchistische Gruppe namens Mateo Morral, die damit gegen die »bourbonische Monarchie« protestieren wollte. Wenigstens Merkel bleibt Rajoy trotz aller Vorwürfe treu und betonte in Berlin das »ganz vertrauensvolle Verhältnis« zu ihm.