Der deutsche Papst geht

Im achten Kreis

Benedikt XVI. glaubt offenbar, seine Mission als Papst erfüllt zu haben.

Muss Joseph Ratzinger in der Vorhölle bis in alle Ewigkeit von Wespen verfolgt im Kreis herumlaufen? Dieses Schicksal schreibt der italienische Dichter Dante Alighieri im dritten Gesang der »Göttlichen Komödie« den Lauen zu, und die meisten Wissenschaftler glauben, dass der »Schatten dessen, den Feigheit zum Verzicht, dem großen, antrieb«, zu Coelestin V. gehört, dem letzten Papst vor Benedikt XVI., der freiwillig ­zurücktrat.
Coelestin V., vor seiner Wahl zum Papst ein frommer Eremit, war den Intrigen im Vatikan nicht gewachsen. Benedikt XVI. führt als Begründung für seinen Rücktritt an, er könne die körperlichen und geistigen Mühen seines Amtes nicht mehr tragen, und mehr wird man aus dem ­Vatikan nicht zu hören bekommen. Vatileaks, der Skandal um die Veröffentlichung von kirch­lichen Geheimdokumenten, war jedoch ein Beleg für die Härte, mit der Machtkämpfe im Kirchenstaat ausgetragen werden.
Ratzinger war nie ein weltabgewandter Eremit, vielmehr machte er in der Kirchenhierarchie zielstrebig Karriere und war als Papst in der Auslegung der katholischen Lehre und der Personalpolitik noch reaktionärer als sein Vorgänger Johannes Paul II. (Jungle World 36/11). Ob statt Ratzinger fast der vergleichsweise liberale argentinische Kardinal Jorge Beroglio Papst geworden wäre, wie das anonyme, der Presse zugespielte »Konklave-Tagebuch« eines angeblichen Kardinals behauptet, und ob Benedikt sein Amt nicht zuletzt der Lobbyarbeit rechtskatholischer Gruppen wie Opus Dei verdankt, lässt sich nicht überprüfen. Zweifellos aber repräsentiert er die reaktionäre Fraktion des Klerus, die selbst dezente Reformen ablehnt.
Offenbar glaubt Ratzinger, durch die Ernennung getreuer Kardinäle die Macht seiner Fraktion gesichert und damit seine Mission erfüllt zu haben. Lauheit kann man ihm nicht vorwerfen, eher könnte man den kühl kalkulierenden Kirchenpolitiker als modernen Simonisten betrachten, dem es nicht um Geld, sondern um Macht geht und der in Dantes achtem Höllenkreis erbauliche Gespäche mit Coelestins Nachfolger Bonifaz VIII. führen könnte.