Wenn der Sarg drückt

In diesem Buch ist alles opulent, schillernd, kostbar: der Humor, der so scharf wie sanft ist, die unbändige Lebensfreude noch in dem Augenblick, wenn es ans Sterben geht, die Musik und die Lust an der Sprache und am Fabulieren. Marjana Gaponenko geht in die Vollen, ebenso wie der Protagonist ihres zweiten Romans.
Luka Lewadski, emeritierter Ornithologe aus Galizien, auf die Hundert zugehend, entschließt sich nach fernmündlich gemachter Mitteilung über den Befund eines Karzinoms in seiner Lunge und entgegen seinem bisherigen Lebenswandel, sämtliche Ersparnisse für eine letzte Reise aufzuwenden. Er besorgt sich eine Kreditkarte und ein Visum (»Mal drückt der Schuh, mal drückt der Sarg, verstehen Sie, was ich meine?«) und fliegt nach Wien, der Stadt seiner seligen Mutter, wo er eine Luxussuite bezieht, um im Grand Hotel die verbleibende Zeit auszukosten.
Dieser Roman ist eine Wucht. Gaponenko hat eine berückende erzählerische Gabe, eine überaus feine Wahrnehmung für die kleinsten Dinge und Bewegungen, die ihren Text wunderbar sinnlich und filigran machen. Mit Leichtigkeit begegnet sie dem Leben; manchmal scheint es, sie hüpfe nur so darüber hinweg – während sie sich tief in Gedanken hineinbegibt, ihnen nachgeht und in entlegene Winkel folgt. In wenigen Sätzen erzählt sie ganze Welten, erfasst Jahrzehnte eines Lebens auf eine sehr dichte, verdichtende, ganz poetische Weise.

Marjana Gaponenko: Wer ist Martha? Suhrkamp 2012, 237 Seiten, 19,95 Euro