Das Frankfurter »Institut für vergleichende Irrelevanz« muss seinen Sitz räumen

Bürgerliche Hausbesetzer

Das Immobilienunternehmen Franconofurt hat vor dem Frankfurter Landgericht den Prozess gegen das »Institut für vergleichende Irrelevanz« gewonnen. Dieses muss seinen Sitz räumen.

Da soll noch jemand behaupten, die Mühlen der Justiz mahlten langsam. Am Freitag voriger Woche um 10.15 Uhr, 15 Minuten nach Beginn der Verhandlung, verkündete der Richter des Frankfurter Landgerichts, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) »Institut für vergleichende Irrelevanz« (IvI) den Kettenhofweg 130 im Frankfurter Westend »zu verlassen und an die Klägerin herauszugeben« habe. Die Klägerin ist die Franconofurt AG. Die Urteilsverkündung ging unter im Protest von anwesenden Sympathisanten, die sich hörbar empört zeigten.

Dabei erhielten nur wenige überhaupt Einlass zum Landgericht. Dutzenden Interessierten wurde der Zugang zur Verhandlung von der Polizei untersagt. »Das war de facto ein Ausschluss der Öffentlichkeit«, empörte sich Sarah Schneider, eine der Sprecherinnen des IvI. Ermöglicht wurde der Räumungstitel dadurch, dass das IvI von Franconofurt als GbR adressiert wurde und das Gericht diese Einschätzung übernahm. Ein juristischer Kniff, der notwendig wurde, weil Franconofurt bis zuletzt nicht in der Lage war, die Namen der Besetzerinnen und Besetzer zu nennen. Aus dem IvI ließ man verlautbaren: »Wir erkennen das Urteil nicht an.« Die Besetzer des IvI bestreiten, eine GbR zu sein. Das IvI sei als eine Rechtsperson adressiert worden, die es nicht sei. Eine GbR weist Gesellschafter auf, die aus einem festen Personenkreis gebildet werden. Das ist nach Angaben des Arbeitskreises kritischer Juristen Frankfurt beim IvI nicht der Fall. Zudem wäre der Hauptzweck der GbR des IvI die Aufrechterhaltung der Besetzung. Eine GbR kann aber nicht auf Grundlage einer illegalen Handlung konstituiert werden. So bürgerlich sind die Besetzerinnen und Besetzer also gar nicht. Der Richter betrat mit dem Urteil Neuland, ob eine höhere Instanz sich dem anschließen würde, ist fraglich. Um in Berufung zu gehen, müssten sich allerdings die Nutzerinnen und Nutzer zu erkennen geben und ihre Anonymität aufgeben.
Der ehemalige Sitz des Instituts für Anglistik und Amerikanistik der Goethe-Universität wurde 2003 im Zuge der Studierendenproteste besetzt. Im Januar 2012 wurde bekannt, dass die Universität das denkmalgeschützte Gebäude verkauft hat und sich nun nicht mehr dafür in der Verantwortung sieht. Somit war das letzte besetzte Universitätsgebäude der Bundesrepublik kein Universitätsgebäude mehr. Vom Asta der Goethe-Universität wurde der »klammheimliche Verkauf« kritisiert. Auch der Verkaufspreis, der bei etwas mehr als einer Million Euro lag, wurde als zu gering angesehen. Seit dem Verkauf war die Zukunft des IvI ungewiss. Das Urteil bringt vorläufig Klarheit, die Besetzerinnen und Besetzer müssen gehen. Christian Wolf, der Geschäftsführer der Franconofurt AG, sagte nach der Urteilsverkündung der Frankfurter Rundschau, dass er eine friedliche Lösung bevorzuge. Im Gespräch mit der Welt betonte er aber auch: »Wir hoffen, dass sie von alleine rausgehen. Ansonsten müssen sie halt rausgetragen werden.« Am Donnerstag sollen Gespräche zwischen dem Immobilienunternehmen und der Polizei stattfinden, um das weitere Vorgehen zu vereinbaren. Die Besetzer haben bereits ihr Hab und Gut aus dem Kettenhofweg 130 herausgebracht. Man rechnet dort jeden Moment mit einer Räumung.

Bereits am Abend nach der Urteilsverkündung kam es zu Protesten. Etwa 400 Personen ravten von Bockenheim ins Westend. Sie bekundeten ihre Solidarität mit dem IvI und protestierten zugleich gegen den Umzug der letzten in Bockenheim verbliebenen Universitätsinstitute auf den Campus Westend, durch den sie viele selbstverwaltete Strukturen der Goethe-Universität bedroht sehen. Tags darauf wurde das vorübergehend leerstehende Gebäude des Sigmund-Freud-Instituts (SFI) in der Myliusstraße 20 besetzt. Auch diese Aktion richtete sich gegen die drohende Räumung des IvI. Die Besetzer bezeichnen sich selbst als »Aktionsbündnis 15. Februar«. Nach Gesprächen mit Rolf Haubl, dem Direktor des Sigmund-Freuds-Instituts, wurde eine Zwischennutzung für eine Woche vereinbart.

In der Myliusstraße fand für zwei Tage das statt, was im alltäglichen Universitätsbetrieb allzu oft untergeht: Seminare und Vorstellungen rund um kritische Psychologie. »Die Freudsche Psychoanalyse ist, genauso wie die Kritische Theorie, in der gesellschaftlichen Irrelevanz verschwunden und dient der Universität Frankfurt lediglich als schickes Aushängeschild«, sagte die Aktivistin Margarete Rothschild. Das Zwischennutzungsrecht wurde am Montag vom hessischen Innenministerium widerrufen, noch am selben Tag kam es zur Räumung. Zumindest für die Besetzer scheint klar zu sein, wer für die Räumung der Myliusstraße 20 verantwortlich ist. »Noch immer deprimiert, von der Frankfurter Bevölkerung nicht innig geliebt zu werden, lässt Innenminister Boris Rhein Luft ab, und setzte den Repressionsapparat, dem er vorsteht, in Gang«, sagte der Aktivist Moshe Anhan. Der Montag brachte auch für das IvI Neuigkeiten, Franconofurt stellte ein Ultimatum. Auf Anfrage der Welt erklärte Wolf: »Wir bieten 10 000 Euro für eine friedliche Lösung.« Dafür setze man den Besetzern eine Frist bis Freitag, das Gebäude zu räumen. Andernfalls würde er auf die Ordnungsmacht zurückgreifen.