Eine Kritik des Femen-Feminismus

Peta für Frauen

Die 2008 in der Ukraine entstandene feministische Gruppe Femen verfügt mittlerweile über Dependancen in vielen ­europäischen Städten. Nicht nur mit Nacktheit provozieren die Aktivistinnen, sondern auch mit ihren Faschismusvergleichen.

Die ukrainische Gruppe Femen hat seit ihrer Gründung im Jahre 2008 viel Aufsehen erregt. Die Wut der Aktivistinnen richtete sich gegen die Machtverhältnisse im Kapitalismus, in der Kirche und im Patriarchat und äußert sich in Protestformen, die an Pussy Riot oder die Slutwalk-Bewegung erinnern. Die Aktivistinnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine neue Generation junger Frauen für den Feminismus zu begeistern. Inspiriert von Texten wie August Bebels Schrift »Die Frau und der Sozialismus« wollen sie feministischen Protest wieder auf die Straßen bringen, erklären Alexandra Schewtschenko und Klara im Gespräch in Berlin-Kreuzberg: Anders als die 24jährige ukra­nische Betriebswirtin Alexandra Schewtschenko, die zu den Gründerinnen der Gruppe zählt, will die Berliner Femen-Aktivistin Klara, wie die meisten deutschen Mitglieder der Gruppe, nicht mit vollem Namen genannt werden.
Durch ihre Präsenz in den Medien und so­zialen Netzwerken ist die Gruppe mittlerweile weltweit organisiert. Es entstanden Büros in Frankreich und Brasilien, inzwischen haben die Proteste der Femen-Frauen auch Deutschland erfasst, es gibt Läden in Hamburg und Berlin. Mit der Internationalisierung wurde allerdings auch die Praxis der Gruppe unübersichtlicher. Waren die Aktionen in der ehemaligen Sowjetunion anfangs sorgfältig geplante Angriffe auf das Machtdickicht von Staat und Kirche oder auf die Sexindustrie, die in der Ukraine laut Aussage der Frauen moderne Formen des Menschenhandels hervorbringt, gab es in jüngster Zeit auch fragwürdige Aktionen des Netzwerks. Während der Protest gegen Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt, Homophobie und religiösen Zwang inhaltlich auf viel Akzeptanz stößt, ist es vor allem die Performance, die zunehmend Ablehnung erfährt.
Ihre Interventionen mit nacktem Oberkörper, die nicht nur aus traditioneller feminis­tischer Perspektive kritisiert werden, verteidigen die Aktivistinnen als ein legitimes Mittel zum Zweck. Nacktheit sei eine erfolgreiche Strategie, die mediale Aufmerksamkeit schaffe und auf die sich die Gruppe nach einigen politischen Diskussionen geeinigt habe. Sie wollten die Verfügung über entblößte Brüste nicht dem Patriarchat überlassen, das weibliche Nacktheit für den Kapitalismus instrumentalisiere. »Wir erobern unsere Körper zurück. Es ist wie bei einer Waffe«, sagt Klara. »Sie kann in den richtigen und den falschen Händen sein. Wir nutzen unsere Körper für feministischen Widerstand.« So würden sie immer darauf achten, dass sie stark und gefährlich wirkten, um das Stereotyp der passiven, hilflosen Frau, dessen sich die Werbung gerne bediene, zu zertrümmern. Im Oktober 2011 posierten Femen-Aktivistinnen in Paris im Dienstmädchen-Dress vor dem Haus von Dominique Strauss-Kahn. Dass ihre Selbstinszenierungen stets dem ­heteronormativen Schönheitsideal entsprechende Frauenbilder reproduzieren, ist jedoch problematisch.
Darzustellen, dass das Kollektiv nicht nur aus ein paar medienbewussten Frauen besteht, scheint ein wichtiges Ziel der Gruppe zu sein. Klara, Mitglied von Femen Deutschland, zeigt auf ihrer Website ihren nackten Oberkörper, der in den Farben der Nationalflagge bemalt ist. Sie erzählt, wie sie und andere Frauen die Ukrainerinnen kontaktierten, um auch hier eine Dependance einzurichten. Fraglich ist jedoch, ob die Performance der Gruppe wirklich zu breiteren Bündnissen und Solidarisierungen führt oder ob sie nicht auch viele potentielle Mitstreiterinnen abschreckt. Aktionen wie die in Paris, wo Aktivistinnen von Femen mit dem Slogan »Muslim Women Let’s Get Naked!« auf der Brust durch ein migrantisches Viertel liefen, scheinen kaum dazu zu führen, dass die dort lebenden Musliminnen sich ihren Kämpfen anschließen. »Wir sind von muslimischen Frauen gefragt worden, ob wir ihnen helfen und ob wir zusammen eine Aktion machen könnten«, erzählt Klara. »Es gibt keine verschiedenen Kulturen oder verschiedene Formen von Freiheit. Wenn Frauen die Burka tragen, sind sie nicht frei.«
Dass die Bewegung inflationär mit dem Faschismus-Begriff hantiert, wurde zuletzt bei ihrer Aktion auf der Hamburger Reeperbahn Ende Januar offensichtlich. Die Idee, ausgerechnet mit einem Fackelzug durch die nur für männliches Publikum zugängliche Herbertstraße zu laufen, mag noch als anspielungsreiche Provokation durchgehen, doch als die Demonstrantinnen ein Transparent mit der Parole »Arbeit Macht Frei« am Eingang anbrachten und Schilder mit Slogans wie »Sex-Sklaverei ist Faschismus« und »Prostitution ist Genozid« hochhielten, wurde es nicht nur den dort arbeitenden Frauen zu viel, die ihnen nachriefen, dass sie aus eigener Wahl dort arbeiten. Die antisexistische Gruppe E*vibes schrieb in ihrem Blog verärgert, dass die Gleichsetzung von Prostitution mit der Shoa »in keinster Weise tragbar« sei.
Offensichtlich agieren die Femen-Frauen weitgehend als isolierte Gruppen, deren Vorgehensweise gerade diejenigen Frauen brüskiert, denen man angeblich helfen will. Der Versuch, zwischen der Vernichtung der Juden und anderer Minderheiten im Dritten Reich und den vielfältigen Verhältnissen, in denen sich Sexarbeiterinnen in einem teilweise brutalen, patriarchalen Kapitalismus wiederfinden, eine Parallele zu ziehen, erinnert an die aufmerksamkeitsheischenden Kampagnen der Tierschutzorganisation Peta. Auf den Einwand, dass Sexarbeiterinnen ganz verschiedene Erfahrungen machen und Callgirls, Pornodarsteller, Straßenprostituierte und Zwangsprosti­tutionsopfer völlig unterschiedliche Voraussetzungen haben, erklären die Frauen, dass sie bereits den Begriff der Sexarbeiterinnen nicht akzeptieren können. Es ist dies aber ein Begriff, um den Huren in vielen Teilen der Welt gekämpft haben. »Ich lehne diesen Begriff ab. Prostitution ist keine Arbeit«, erklärt Alexandra Schewtschenko. Natürlich wollten Femen nicht die Opfer der Shoa beleidigen und so tun, als sei das eine mit dem anderen identisch, aber es gebe eben auch Parallelen. Die Welt solle aufwachen und sehen, was vor ihren Augen passiere, die Freier sollen illegalisiert und die Zuhälter zur Rechenschaft gezogen werden. Dass dieses Modell der Regulierung sexuelle Arbeit jedoch wieder in die Illegalität treiben würde, weshalb selbst viele konservative Feministinnen die Legalisierung der Prostitution unterstützen, verkennen die selbsternannten Retterinnen der Frauen.
Eine Wut auf die Verhältnisse, die lediglich im Spektakel mündet, wird die Verhältnisse jedenfalls nicht ändern können.