Der Mord und der Blues

Berlin Beatet Bestes. Folge 182. Leathertown Jazzmen: Delia Gone (1961)

Letztens spielten mein Kumpel Frank und ich zwei Versionen des Songs »Frankie and Johnny« im Radio. Ich spielte eine schnelle Instrumentalversion des Swingtrompeters Bunny Berigan von 1937 und Frank eine swingende Version von Elvis: »Frankie drew back her kimono/pulled out her lil’ 44/root to toot toot/three times she shot/right through the hardwood door/she shot her man/cos he was doin her wrong.«
Anschließend fragten wir uns beide, wer das Lied ursprünglich geschrieben hat. Elvis spielte 1966 in dem gleichnamigen Film die Hauptrolle. Wir beide kannten zwar noch viele andere Versionen von »Frankie and Johnny«, waren aber zunächst ratlos.
Zu Hause klärte mich das Internet auf. Demnach geht die Geschichte von »Frankie and Johnny« auf einen realen Mordfall zurück. Um 2 Uhr morgens am 15. Oktober 1899 erschoss die 22jährige Frankie Baker ihren 17jährigen Liebhaber Allen Britt, nachdem der von einer Cakewalk-Tanzveranstaltung zurückgekommen war. Dort hatte er zusammen mit einer anderen Frau, Nellie Bly, einen Tanzwettbewerb im Slow Dancing gewonnen. Frankie wurde verurteilt und starb 1952 in einer psychiatrischen Klinik. Die ersten Adaptionen dieser Geschichte entstanden bereits 1899, im Laufe der Zeit wurde der Song zu einem Jazz-Standard. Er erzählt jedenfalls eine typische Eifersuchtsgeschichte. Ich werde also den Teufel tun, mit dem Blues-Tanzen anzufangen. Man sieht ja, wohin das führen kann.
Vor ein paar Wochen erwarb ich dann eine Single der Offenbacher Leathertown Jazzmen, eine aus britischen und deutschen Musikern zusammengesetzte Gruppe, die Anfang der sechziger Jahre traditionellen Jazz im Stil von Mr. Acker Bilk und Chris Barber spielte. Der Titel »Delia’s Gone« gefiel mir sehr gut, kam mir aber bekannt vor, so dass ich recherchierte, wer ihn geschrieben hat. Wie »Frankie and Johnny« geht auch »Delia’s Gone« auf einen realen Mordfall zurück. Am Weihnachtsabend 1900 wurde die 14jährige Afroamerikanerin Delia Green nach einem Streit am frühen Morgen von ihrem 15jährigen Freund Moses Houston in Savannah/Georgia erschossen. Ein Eifersuchtsdrama im Teenagermilieu! Wieder waren Schusswaffen im Spiel! Das Ereignis inspirierte gleich mehrere Songs und unzählige Coverversionen. Johnny Cash coverte das Lied gleich viermal. Im Musikvideo der letzten Version spielt übrigens Kate Moss die Rolle der Delia. Die bekannteste Vorlage nahm Blind Blake 1949 auf den Bahamas auf. Sein vom Calypso beinflusster Jazzsong beginnt musikalisch sehr ähnlich wie »Frankie and Johnny«.
So wie der Siegertitel der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2013! Cascadas »Glorious« klingt ziemlich wie »Euphoria«, der Siegertitel von Loreen vom vergangenen Jahr. Es ist alles nur geklaut! Aber egal. Ärgerlich ist nur, dass diese blonde, dralle Trash-Braut uns jetzt in Malmö vertritt. Von der coolen, mysteriösen Ausstrahlung Loreens ist sie leider meilenweit entfernt.