Findet Supermärkte nervig. Vor allem die Kassen

Elä hättäile!

Supermarktkassen sind die Hölle. Es wird Zeit, sich dem Fließbandterror zu widersetzen!
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Durch Supermärkte zu flanieren, ist eine wahre Freude, doch nähert man sich dem Kassenbereich, wird das scheinbare Paradies, in dem es alles zu geben scheint und man nur zuzugreifen braucht, zur Hölle. Und das liegt nicht nur daran, dass beim Klingeln der Kassen das Bewusstsein zurückkehrt, dass all diese Produkte, die man im Geiste schon hübsch in seinen Einkaufswagen gestapelt und aus denen man die pompösesten Festgelage arrangiert hat, ja auch bezahlt werden müssten. Auch soll hier nicht über die zu langen Schlangen und darüber, dass man immer an der falschen steht, lamentiert werden. Nein, das wirklich Grausame ist: Der Kassenbereich ist jene Zone, wo aus dem König Kunde der Karl Arsch Kunde wird.

Bevor man sich durch den engen Gang zwischen zwei Fließbändern gezwängt hat, wird man noch umworben, ist man gefragt, hat man alle Zeit der Welt, darf sich umschauen, Dinge aussuchen, träumen, doch hinter dieser Schleuse geht’s nur noch darum, zu bezahlen und sich dann möglichst zack, zack in Luft aufzulösen.
Um die nach dem Abkassieren nur noch störenden Ex-Kunden möglichst schnell loszuwerden, haben sich die Supermarktbetreiber immer dras­tischere Methoden einfallen lassen. Vor allem versuchen sie, uns beim Einpacken der Waren zu Höchstgeschwindigkeit anzutreiben. Früher gab es hinten an dem insgesamt viel längeren Kassenband zwei Ablageflächen bzw. –laden, die mit einem schwenkbaren Trenndingens getrennt wurden. Während Kunde A in aller Ruhe seine Sachen zusammenpackte, konnte Kundin B bereits abgefertigt werden. Damit ist schon lange Schluss. Sobald die Ware über den Scanner gezogen ist, soll sie schon verstaut sein. Es kommt zu einem regelrechten Wettrennen zwischen den zum Akkord verdammten Kassierern und den Kunden, die kaum hinterherkommen, die Milchpackungen, Joghurts, Pizzaschachteln und Salatgurken in ihre Taschen oder auch nur wieder in den Einkaufswagen zu stopfen. Das Piepen am Kassenscanner gibt den Takt vor. Piep, Piep, Piep, schneller, schneller, schneller, los, nicht einschlafen, du faule Sau!
Gerne wird in diesem Zusammenhang, wie in jedem anderen eigentlich auch, den Amis die Schuld gegeben. Die kurzen Scannerkassen wurden tatsächlich in den USA erfunden. Aber: Dort steht am Ende der Kasse Personal und packt professionell die Sachen ein. In Deutschland hat man die Ideologie und die Maschinen übernommen, aber die Menschen weggelassen. Anschaulicher kann man die spezielle Inhumanität deutscher Technokratie kaum darstellen.
Dazu kommt: Seit man eine Münze benötigt, um überhaupt einen Einkaufswagen zu bekommen, betreten viele Kunden ohne Wagen den Laden. Damit diese die Güter nicht in ihre Tasche stecken oder in leere Kartons, werden zuweilen Tragekörbe aus Plastik angeboten. Diese jedoch sind aufgrund ihrer Diebstahlsicherung vor der Kasse abzugeben. Dadurch ist man genötigt, die eingekauften Waren von dem Kassentisch sofort in die Tüten, Taschen oder Beutel zu verstauen, was natürlich länger dauert, als wenn man sie erst in den Korb zurückräumen würde, um sie anschließend an anderer Stelle umzupacken, wie es ja beim Einkaufswagen erwartet wird. Allerdings gibt es zum Umräumen ebenfalls immer weniger Platz, weil der Raum hinter der Kasse als fürs Geschäft inneffektiv angesehen und daher verringert wird. Sprich: Alles wird dafür getan, dass wir an der Kasse dem größtmöglichen Stress ausgesetzt werden.

Bisher habe auch ich mich hetzen lassen und die Augen verdreht, wenn die ältere Dame vor mir gerne passend bezahlen wollte und so den Betrieb aufhielt. Doch jetzt ist Schluss! Ich füge mich nicht länger dem Kassenterror, ich lasse mir jetzt auch Zeit. Wenn kein Platz mehr auf dem Band ist, weil ich beim Einpacken langsamer bin als das Piepen, dann muss die Kassiererin oder der Kassierer eben einen Moment warten. Und siehe da: Ich habe von ihnen bisher noch nie einen bösen Blick geerntet, denn auch sie freuen sich über jede kurze Verschnaufpause. Nur die nachfolgenden Kunden in der Schlange, die schauen grimmig drein, geht es doch, das sei zugegeben, auf ihre Kosten. Aber ich mache mir deshalb kein schlechtes Gewissen mehr. Schuld sind andere. Ich habe mich der Widerstandsbewegung angeschlossen, die die Entschleunigung an der Kasse betreibt. Schließen auch Sie sich an! Nur Ziviler Ungehorsam kann uns retten! Kassenkampf jetzt!
Womöglich führt das gar zur Einsicht bei den Unternehmen, wie in Finnland, wo die Menschen bekanntlich ohnehin viel klüger sind. In einem Supermarkt im südfinnischen Ort Espoo gibt es seit einiger Zeit eine Langsamkasse (»Elä hättäile«). Hier darf man sich beim Einpacken ausgiebig Zeit lassen und das Personal hilft gerne. Die längeren Wartezeiten kann man gemütlich in einem Sessel neben der Kasse überbrücken, ein Tässchen Kaffee gibt es auch und eine Spielecke für die Kinder ist geplant. Siehe da: Eine bessere Welt ist möglich.