Deutsche Spionage-Software

Repression mit deutscher Software

Deutsche Firmen sind schon lange dabei, autoritäre Regimes in aller Welt mit ­Spionage-Software zu versorgen.

Trovicor schweigt. Man sei vertragsrechtlich daran gebunden, keinerlei Informationen über die Kunden weiterzugeben, antwortet die in München ansässige Software-Firma gemeinhin auf Anfragen. Sollten aber all die Vorwürfe zutreffen, die gegen das Unternehmen vorgebracht werden, haben die Programmierer durchaus noch andere Gründe, ihre Geschäftspartner geheimzuhalten. Die Trovicor GmbH soll noch zu der Zeit, als in Syrien bereits der Bürgerkrieg begonnen hatte, digitale Überwachungsanlagen von Bashar al-Assads Geheimpolizei gewartet haben. Auch Bahrains Sicherheitskräfte haben nach Angaben des US-Magazins Bloomberg Market die Software aus Bayern verwendet. Beamte folterten in dem Golfstaat 2010 den Aktivisten Abdul Ghani al-Khanjar und nutzten dabei Informationen, die sie aus SMS-Nachrichten bezogen hatten – ausgespäht mit Hilfe eines »Monitoring Center«, das die Regierung bereits 2006 erworben hatte. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine Software, die Siemens in alle Welt verkauft hat. Später wurde sie von Nokia Siemens Networks (NSN) und dann Trovicor betreut. Mit ihr lassen sich Internet-, Handy- und Telefonkommunikation überwachen, um Blogger ausfindig zu machen, Mails zu kontrollieren und Skype-Gespräche abzuhören.

Heute will NSN mit den fragwürdigen Leistungen für den Golfstaat nichts mehr zu tun haben. Spätestens, nachdem das Unternehmen wegen seines Exportes von Technologie zur Handy-Überwachung in den Iran öffentlich kritisiert wurde, ist NSN zurückhaltend. Die Monitoring Center seien problematisch, ließ Konzernmanager Barry French 2011 wissen, »hier besteht das Risiko, dass Menschenrechtsfragen auftauchen, mit denen wir uns nicht auseinandersetzen können«. Wie der Konzern jetzt tatsächlich auf diesem Markt agiert, ist angesichts der undurchsichtigen Strukturen schwierig festzustellen. Doch schon lange sind neben der von NSN gegründeten Trovicor GmbH weitere Firmen damit beschäftigt, autori­täre Regimes in aller Welt mit Spionage-Software zu versorgen. So lieferte das Aachener Unternehmen Utimaco bereits 2005 an Nokia Siemens Komponenten für ein Monitoring Center, mit dem schließlich der syrische Mobilfunkanbieter Sy­riatel arbeitete. Ägyptische Demonstranten entdeckten die von der Firma Gamma International angebotene Fin-Fisher-Software, als sie die Zentrale der Staatssicherheit Hosni Mubaraks stürmten. Auch auf Rechnern bahrainischer Oppositioneller wurde diese Software des britisch-deutschen Betriebs gefunden.
»Exporte solcher digitalen Waffen müssen den gleichen Beschränkungen unterworfen werden wie Auslandsgeschäfte mit traditionellen Rüstungsgütern«, forderte Anfang Februar Christian Mihr, der Geschäftsführer von »Reporter ohne Grenzen« (ROG). Gemeinsam mit anderen Organisationen reichte ROG bei der Organisation für Wirtschaftliche Kooperation und Entwicklung Beschwerde gegen Trovicor und Gamma ein. Das Ziel: Die Verträge mit Bahrain sollen geprüft, vor allem aber sollen in allen künftigen Liefervereinbarungen dieser Art Menschenrechtsklauseln eingefügt werden. »Diese Leute wissen genau, wofür ihre Technologie genutzt wird«, sagte Maryam al-Khawaja von Bahrain Center for Human Rights der Jungle World. Um die Verbrechen zu beenden, müssten die Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden.

Selbst Außenminister Guido Westerwelle hat im September ein Exportverbot von Überwachungssoftware gefordert. Versuche, restriktivere Ausfuhrbestimmungen auf EU-Ebene durchzusetzen, scheiterten jedoch nicht zuletzt an Westerwelles FDP-Parteifreund Rainer Brüderle. Als Bundeswirtschaftsminister hatte er sich 2010 gegenüber ­liberalen Europaabgeordneten erfolgreich gegen scharfe Vorabkontrollen stark gemacht. Diese würden die deutsche Exportwirtschaft schwächen, befürchtet Brüderle.
Bislang müssen Geschäfte mit der Spitzel-Software nicht wie Rüstungsexporte vom Bundes­ausfuhramt genehmigt werden. Würde das geändert, müsste die Behörde, wenn auch mit einjähriger Verzögerung, den Bundestag und damit die Öffentlichkeit über erteilte Genehmigungen informieren. Solange das nicht passiert, kann auch Trovicor weiterhin schweigen.