Supermärkte sind amüsant

Wellness und Waren-Diss

Ein Ausflug in den Supermarkt ist höchst unterhaltsam. An der Kasse wird es besonders amüsant. Spielen Sie mit!

Wer Supermärkte nicht als Wellness-Oasen begreift, ist selbst schuld, damit geht’s schon mal los. Natürlich ist das nicht immer ganz einfach, zum Beispiel dann, wenn nichts daraus wird, heiter-gelassen durch die Gänge zu schweben und mal hier kurz innezuhalten, um ein Glas mit sehr merkwürdig aussehenden, in irgendwas eingelegten Dingsen, die möglicherweise ein langes Leben als irgendein Obst hinter sich haben, zu betrachten, oder dort staunend eine der neuesten Entwicklungen des Eigenartige-Fertiggerichte-Sektors zu inspizieren, weil man einen dieser speziellen Einkaufswagen erwischt hat. Damit der Kundschaft nicht zu langweilig wird, tauschen Supermärkte nämlich jedes zehnte Shopping-Gefährt gegen einen Einkaufswagen-Wechselbalg aus, dessen Haupteigenschaft es ist, zwar ganz unschuldig auszusehen, aber in Wirklichkeit von ganz abgefeimter Renitenz zu sein. Ausdauernd will es nicht, und zwar nicht geradeaus fahren, nicht um die Ecke biegen, nicht anhalten, nicht dastehen, und verkantet deswegen unentwegt seine Räder in nicht vorgesehene Richtungen.
Natürlich könnte man einwenden, dass einen unwilligen Einkaufswagen hinter sich herzuziehen (schieben geht nicht) nichts mit Wellness zu tun hat. Pffff. Tauscht man das verstockte Teil halt um, und schon kann man ungehindert weiter durch die Gänge spazieren. Und an den vielen Ständen mit Probehäppchen neue Käsesorten, Oliven, Matsch mit Kräutern drin auf pappigen Crackern oder sehr eigenartige Getränkekreationen testen.
Handelt es sich um einen riesigen Supermarkt, ist die Kleiderabteilung ein absoluter Geheimtipp. Hier findet man das, was in wenigen Jahren als Vintage verkauft werden wird (oder in spä­tere Generationen erfreuenden Bildbänden mit Titeln wie »Die große Enzyklopädie der scheußlichen Klamotten« landet). Die einmalige Chance, auszuprobieren, wie man in blumengemusterten Kittelschürzen, Acrylpullovern mit Mopsmotiv, asymmetrisch strassbesetzten grün-beige-gestreiften T-Shirts oder auch nur in bebommelten Strickmützen aussieht, sollte man unbedingt nutzen. Und natürlich in der Umkleidekabine viele Fotos von sich in den jeweiligen Outfits machen.

Irgendwann ist es aber genug, und dann kommt der beste Part: der Kassenbereich. Nirgendwo kann man die Auswirkungen von Stress und schlechter Laune besser studieren als in einer langen Schlange im Supermarkt stehend. Und an kaum einem anderen Ort kann man sich so viele kreative Spielchen ausdenken. Wartet man zu zweit, kann man beispielsweise mit einfachem Waren-Diss sehr schöne Ergebnisse erzielen. Dazu sucht man sich die unangenehmste Person im gesamten Einkaufszentrum aus (die beispielsweise schon zuvor aufgefallen war, weil sie einen ratlos vor einem Regal stehenden Senioren weg­gedrängelt hatte oder gemeine Bemerkungen über Körperteile des Verkaufspersonals gemacht hatte. Beim Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen gut aufgepasst zu haben zahlt sich nun aus).

Jeder ordentliche Waren-Diss beginnt mit einem langen, entsetzten Blick in den Einkaufswagen der Zielperson. Gefolgt von betont unauffälligem Anstupsen des Einkaufspartners, der nun ebenfalls ungläubig hinschauen muss. Ist die unangenehme Person endlich aufmerksam geworden, ist schnelles Handeln erforderlich, denn nun müssen einige wichtige Satzfetzen geäußert werden. »Boah, ist das nicht … « »Ja, ich dachte auch … « »Rückruf im Fernsehen« »schwer erkrankt« sollten reichen. Sicherheitshalber kann man die unangenehme Person anschließend noch ungläubig-mitleidig angucken und sich Sachen wie »Na, muss jeder selber wissen« zuflüstern (also zuflüstern im Sinne von seeeeehr laut leise sprechen). Auch wenn die unangenehme Person ihren Platz in der Schlange nicht aufgibt, um sofort ohne Einkäufe nach Hause zu gehen und nachzuschauen, was sie denn um ein Haar für bedrohlichen Kram eingekauft hätte, wird sie mit den erworbenen Waren keinen schönen Abend haben.
Iiiih, das ist aber gemein? Nun, dann spiel’ halt »Was zur Hölle haben diese Leute mit diesem Zeugs da in ihrem Einkaufswagen vor?« Denn: Katzenstreu, ein Pfund Kartoffeln und eine Dose Mayonnaise ergeben niemals eine vollwertige Mahlzeit. Aber die Einkäufe lassen Rückschlüsse zu, auf Tier- und Vorratshaltung beispielsweise, auf Ernährungsgewohnheiten, Wohn- und Familienverhältnisse und vielleicht auch darauf, ob man einen Einkäufer bald in »Aktenzeichen XY ungelöst« sehen wird, denn natürlich wird jemand, der sich eine Kettensäge, viele große reißfeste Müllsäcke und ein Standardwerk über Erbschaftsrecht zulegt, tja … Ob man in solchen Fällen strafend in den Einkaufswagen schaut und laut sagt: »Also ich würde mir das an Ihrer Stelle lieber noch einmal überlegen«, nun, das muss jeder selbst entscheiden.