Europafeindliche Parteien erhalten Geld aus Quellen der EU

Geld für den Gegner

Rechte europäische Parteien haben sich bereits EU-Finanzquellen erschlossen.

Der Saal ist hell gehalten. Hinter den Sesseln des Präsidiums in Straßburg hängt die blaue Europa­flagge mit den zwölf Sternen. Rund um den Plenarraum können Besucher die Debatte der 754 Parlamentarier von oben verfolgen. In einem Jahr dürften sich die Kräfteverhältnisse im Europäischen Parlament geändert haben. 2014, sagt Andreas Mölzer, könnten die »rechtspatriotischen Parteien« bei der Europawahl mehr Mandate als 2009 erreichen. In den Ländern würden sich diese Parteien schon jetzt auf die Wahl vorbereiten, berichtet der Europaabgeordnete der rechtslastigen »Freiheitlichen Partei Österreich« (FPÖ) in seinem Straßburger Büro, das einen weiten Blick über die Landschaft bietet. Europäische Parteien der extremen Rechten bestehen längst.

Voraussichtlich in der Zeit vom 5. bis zum 8. Juni 2014 können die Wähler der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) das Europäische Parlament bestimmen. Der genaue Wahltermin steht noch nicht fest. Dass 2014 mehr als 34 Ab­geordnete mit rechtem Hintergrund ins Parlament einziehen könnten, hält Jan Philipp Albrecht, der für die Grünen im Europa-Parlament sitzt, nicht bloß für ein Wunschdenken von Mölzer. »Ich befürchte, die Hoffnungen werden nicht enttäuscht«, sagt Albrecht, dessen Büro in den Innenhof weist. »Die wirtschaftliche Krise kommt den radikalen Rechten entgegen.« Damit vertritt er keine Einzelmeinung, auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), warnt, die »Hetze von Populisten« falle auf »fruchtbaren Boden«. Die Sorge um die wirtschaftliche Situation und die soziale Verunsicherung könnten Wähler dazu bewegen, extrem rechte Parteien zu wählen, betonen beide Politiker. Einzelne Studien offenbaren, dass die anhaltende Finanz-, Wirtschafts- und Fiskalkrise rechte Ressentiments stärkt.
In Griechenland trug die Krise, so Dimitris Psarras, mit dazu bei, dass die Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), die vormals als rechte Randerscheinung galt, zu einer starken Partei werden konnte. 2009 hatte die neonazistische Partei 0,29 Prozent der Stimmen erhalten, bei den griechischen Parlamentswahlen im Mai vorigen Jahres kam sie auf 6,9 Prozent. Mit dem Wort »Rache« kommentiert der Journalist und Rechtsextremismusexperte Psarras bei einem Gespräch im Café eines Athener Hotels diese Entwicklung und spricht von der »vorherrschenden Verzweiflung«.

Auf die Krise und die daraus resultierende Verzweiflung setzt auch Deutschlands rechtsextreme Szene. Gerade wegen des Sprungs von Chrysi Avgi ins Parlament verfolgt sie interessiert deren Entwicklung. Kader des »Freien Netz Süd« besuchten die Partei im griechischen Parlament, ein Funktionsträger der NPD reisten nachweislich zu einem Aufmarsch nach Griechenland. In der Parteizeitung der NPD, Deutsche Stimme, schrieb Thorsten Thomsen schon im Juni 2012 zum Wahlerfolg von Chrysi Avgi: »Neben ihrem strikten Anti-EU-Kurs wird die Partei vor allem wegen ihrer scharfen Ausländerpolitik gewählt.« Die Botschaft war deutlich: Bei den jüngsten Landtagswahlen warb die NPD noch deutlicher mit ihrer Abneigung gegen die EU und ihrer Ablehnung von Einwanderung um Wählerstimmen. In Niedersachsen versuchte Patrick Kallweit, der bei der Landtagswahl im Januar als Kandidat der NPD auf Listenplatz 2 stand, mit dem Hinweis auf Griechenland zu mobilisieren: »Wie schnelllebig das politische Geschehen heute ist, zeigte die (…) Parlamentswahl in Griechenland, bei der die Nationalisten und Euro-Gegner der Chrysi Avgi ihr Ergebnis (…) verbessern konnten.« Trotz ihres Misserfolgs – die Partei erzielte bei der Wahl 0,8 Prozent der Stimmen, 2008 erreichte sie noch 1,5 Prozent – hofft die NPD auf einen Erfolg bei der Europawahl. Der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel sagte schon im Dezember vorigen Jahres auf einer Pressekonferenz anlässlich der NPD-Verbotsdebatte, »mit der NPD« werde »eine Partei in Straßburg einziehen, die sich für Deutsche einsetzt, die deutsch bleiben wollen«. In Deutschland macht sich aber auch die Partei »Die Rechte« um Christian Worch Hoffnungen, ins Europa-Parlament einzuziehen. Der Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde ermutigt beide Parteien. Auf mögliche Bündnispartner aus Deutschland möchte sich Mölzer nicht festlegen. Erst müssten die Wahlen abgewartet werden, aber der FPÖ-Politiker sagt auch: »Eine große Fraktion der rechtspatriotischen Parteien ist nötig.« Dass es die »Europäische Allianz für Freiheit« (EAF) schon gibt, verschweigt er. Und dass die FPÖ daran mitwirkt auch.

»Durch die Gründung von politischen Parteien auf europäischer Ebene versuchen sich die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien zu koordinieren und zu finanzieren«, sagt der Grüne Albrecht. Seit Jahrzehnten hat Mölzer, der auch Chefredakteur der Wochenzeitung Zur Zeit ist, gute Kontakte zu anderen extrem rechten Parteien, er plant Konferenzen und Allianzen. In der Szene bezeichnet man sich zwar als »Europafreund«, doch ihr Credo lautet: »Wer Europa liebt, muss gegen den Euro sein.« Und Mölzer nennt noch eine weitere Überzeugung, die ihnen gemein ist: »Der islamische Fundamentalismus stellt für die europäischen Gesellschaften wegen der muslimischen Massenzuwanderung eine immer größer werdende Bedrohung dar.« Bei der 2011 vom Europäischen Parlament anerkannten EAF sitzt er im Vorstand. Die 14 Mitglieder der Partei rekrutieren sich abgesehen von der FPÖ aus den Reihen des belgischen Vlaams Belang (VB), der Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten), der litauischen Ordnung und Gerechtigkeit und der United Kingdom Independence Party (UKIP).
»Die Voraussetzungen, um als Europartei anerkannt zu werden, sind vergleichsweise gering«, heißt es aus dem Büro von Albrecht. Aus mindestens einem Viertel der Mitgliedsstaaten müssen Abgeordnete aus regionalen oder nationalen Parlamenten vertreten sein oder über mindestens einen Abgeordneten im Europäischen Parlament verfügen. Albrecht befürchtet, dass künftig auch andere rechte Parteien außerhalb des Parlaments EU-Mittel beziehen könnten.
Bereits im Jahr 2011 erhielt die EAF, deren Vorsitz Godfrey Bloom von der UKIP innehat, 372 753 Euro aus EU-Kassen. 2012 waren es 360 455 Euro. Im Februar 2012 erkannte das EU-Parlament auch die »Europäische Allianz nationaler Bewegungen« (AENM) als Europartei an. Der 2009 gegründeten AENM gehören Abgeordnete des französischen Front National (FN), der ungarischen Jobbik, der British National Party und elf weiterer extrem rechter Parteien an. Im März 2012 bewilligte das Parlament der AENM, der Bruno Gollnisch vom FN vorsteht, Mittel in Höhe von 289 266 Euro. Es fließen also EU-Gelder in eine Anti-EU-Politik. Die Bezieher stört das nicht. Mölzer nennt als sein Ziel: »Keine Vereinigten Staaten von Europa«.

Im April wird erscheinen: Martin Langebach/Andreas Speit: Europas radikale Rechte – Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten, Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2013