Made by me

Bisher gab es genau zwei Möglichkeiten, ein Geschenk mit dem notwendigen Quantum Schuld aufzuladen: Entweder man gab Geld dafür aus und hasste sich für den Mangel an Phantasie; oder man bastelte selber was und hasste sich für den Dilettantismus. Nun gibt es die Möglichkeit, das Schlechteste beider Welten zu verbinden – und selbstgemachte Geschenke für teuer Geld zu kaufen. In Frankfurt, Wien, Berlin oder Dresden gibt es sie, aber auch schon in kleineren Städten: Geschäfte, die Keramik zum Selbstbemalen anbieten. Der Kunde bezahlt nur den Rohling; der Laden stellt Farbe, Werkstattplatz und Brennofen zur Verfügung und veranstaltet Workshops; womöglich auch Keramikdiskussionsabende, Tonproben und Vorträge von Tellermalern, die es schon in die Tate Modern geschafft haben. Die Geschäftsidee, schon nach der Jahrtausendwende aus den USA herüber­geschwappt, bricht sich erst jetzt Bahn; unter dem Label »Made by you« und »Paint your style« haben sich schon Franchises gebildet. War sich das Bürgertum eine Zeit lang zu cool für verstaubte 68er-Hobbys wie Stricken oder Löten, genügt es jetzt, das Ganze als Event und für viel Geld zu verkaufen, um den Status eines urbanen Exklusivvergnügens zu erlangen. Die entstehenden Produkte – die Schaufenster geben peinvoll exakt Auskunft – sind natürlich keinen Deut ansprechender, ja sogar noch einen Tick ordinärer, da sie unter öffentlicher Beobachtung und Termindruck modelliert werden. Freilich: Auch Dilettantismus muss man sich leisten können! So hebt die Mittelschicht stolz ihre vermurksten Aschenbecher und gespenstisch kolorierten Teller ins Licht – zur Distinktion gegenüber den Produkten der Volkshochschule reicht es allemal.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.