Über den Zustand linker Medien in anderen Ländern Europas

Spanien: Sehr geschätzt, wenig gekauft

El País, die auflagenstärkste spanische Tageszeitung, die ein Jahr nach dem Tod des Diktators Francisco Franco gegründet wurde, ist ein wichtiger Bezugspunkt für die staatsnahe wie für die staatsferne Linke. Ehemals linkssozialistisch, heute dem Parteiapparat der sozialdemokratischen PSOE nahestehend, ist El País etwa auf den Protestcamps der Indignados und der Bewegung »15M« eher verspottet worden. Zudem entließ die Geschäftsführung vergangenes Jahr viele der Journalistinnen und Journalisten. Denn der Prisa-Konzern, den die Anteilseigner von El País über die Jahrzehnte rund um die Zeitung aufgebaut haben, schreibt rote Zahlen.
Auch in Spanien sind Nachrichten eine Ware. Schmerzlich erfahren mussten dies die Leser, Drucker und Journalisten von Público. Die für den Markt links der PSOE gegründete Zeitung erschien nur sechs Jahre in gedruckter Form, heute gibt es nur noch eine Rumpfredaktion, die eine sehr reduzierte Online-Ausgabe produziert. Es ist paradox, dass eine Tageszeitung, die den sozialen Bewegungen, den Indignados und dem Parteienbündnis Izquierda Unida (IU) nahesteht, die ausführlich über die Proteste gegen die Austeritätspolitik und die Parteienkorruption berichtet, pleitegeht, während die Bewegung und IU auf immer breitere Zustimmung stoßen. Público ist ein Opfer der Wirtschaftskrise in Spanien: Die Zeitung wird sehr geschätzt, aber wenig gekauft, weil die am meisten von der Krise Betroffenen zu wenig Geld haben.
Unter den Publikationen der radikalen Linken sticht vor allem die alle zwei Wochen erscheinende Zeitung Diagonal heraus, deren Berichterstattung eng an die sozialen Bewegungen angebunden ist. Obwohl manchmal etwas schwer verständlich in ihrer Unmittelbarkeit, überzeugt sie durch solide Analysen. Diagonal ist aus dem postautonomen Zeitungsprojekt Molotov hervorgegangen und teilt mit der Bewegung der Indignados den basisdemokratischen Ansatz der Selbstorganisation. So war die Zeit der Protestcamps 2011 auch eine Hochzeit für Diagonal, in der begeisterte Artikel über die Bewegung 15M erschienen. Diagonal berichtet als einzige Zeitung ausführlich auch über die Streiks an Universitäten und Schulen, in Krankenhäusern, Gesundheitsstationen und anderen staatlichen Einrichtungen. Die Website der Zeitung bietet oft zusätzliche Artikel zu aktuellen Themen. Andere linke Medien findet man ausschließlich im Netz, etwa Kaos en la Red. Unter anderem finden sich hier Verlautbarungen linker Gruppen zu einem Thema gebündelt, Aktualität wird aber auch durch Texte aus anderen Publikationen vorgespiegelt. Neben Beiträgen aus Público werden Artikel aus Gara veröffentlicht, der auf Baskisch und Spanisch erscheinenden, nur im Baskenland erhältlichen Tageszeitung, die auch ein wichtiges Verständigungsmedium der linksnationalistischen Bewegung ist. Ähnlich ausgerichtet wie Gara sind eine Reihe von sich als antiimperialistisch verstehenden Online-Zeitungen, von denen die bekannteste Rebelión ist. Darin finden sich lesenswerte Sozialanalysen neben krudem Antiamerikanismus und Israelhass. Das Netz und die linken Publikationen spiegeln hier auch nichts anderes als den linken common sense wider, wie er sich in linken Kneipen oder auf Demonstrationen findet. Dieser erweist sich als unerschütterlich und als krisenfester als gedruckte linke Medien.