Deutschland will die EU-Richtlinie zur Frauenquote blockieren

Warten auf Europa

Eigentlich ist kaum jemand wirklich gegen eine Frauenquote, doch findet sich in Deutschland auch niemand, der sie umsetzt.

Immerhin: Antifeminismus verkauft sich schlecht. »Wir wollen keine Frauenquote! Starke Frauen rebellieren gegen Staats-Diktat und Gleichmacherei«, titelte Focus, doch ausgerechnet die Ausgabe zum 20. Jubiläum des konser­vativen Nachrichtenmagazins im Januar floppte am Kiosk. Das Heft war das bis dahin am zweitschlechtesten verkaufte in der Geschichte des Magazins. Eine Frauenquote ist offenbar selbst für viele Konservative kein Thema mehr, über das man sich aufregt. Nur Piratenpartei und FDP kämpfen wacker weiter dagegen an. Viele Christdemokraten wie Bundesarbeitsministerin Ur­sula von der Leyen sind im Grunde in der einen oder anderen Form dafür, selbst wenn ihre re­aktionäre Gegenspielerin Kristina Schröder dagegen ist. Sogar Frauen in der CSU fordern eine Quote, in der Mitte und links davon gehört das ohnehin zum guten Ton.
Aber: All das hat keine politischen Folgen. Eine von der EU geplante verbindliche Frauenquote droht an der deutschen Blockadehaltung zu scheitern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Anweisung ausgegeben, dass die deutschen Diplomaten in Brüssel die von der EU geplante Richtlinie verhindern sollen. Damit erweist Merkel zwei für sie wichtigen Gruppen im Vorwahlkampf einen großen Dienst, den antifeministischen Reaktionären in den eigenen Reihen und den Jungs in den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen.
Seit Jahren kämpft EU-Kommissarin Viviane Reding für eine milde Variante der Frauenquote. Börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten oder 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr sollen bis 2020 dafür sorgen, dass mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich sind, bei öffentlichen Unternehmen soll das bis 2018 geschehen. Der Handlungsbedarf ist unbestritten. Nur 19,76 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder der im Dax gelisteten Unternehmen sind weiblich und die meisten von ihnen werden von der Arbeitnehmerseite gestellt. In den tatsächlichen Machtzentren, nämlich den Vorständen, sind Frauen noch weit seltener anzutreffen. Das zu beklagen gehört seit zwei Jahrzehnten zum guten Ton in der deutschen Politik. Aber statt klare Vorgaben für Unternehmen zu erlassen, setzen die Bundesregierungen, eine wie die andere, immer wieder auf – durchweg folgenlose – Selbstverpflichtungserklärungen von Seiten der Manager.
In Norwegen dagegen gibt es seit 2008 eine verbindliche Frauenquote von 40 Prozent für börsennotierte Unternehmen – eingeführt von einer konservativen Regierung übrigens. Es funktioniert. Mittlerweile liegt der Frauenanteil sogar über dem Soll. Ist die Frauenquote erst einmal durch- und umgesetzt, entlarven sich die Argumente gegen sie, etwa dass es nicht genug qua­lifizierte Bewerberinnen gebe, dass schlechte Frauen statt gute Männer Jobs bekämen und so weiter, schnell als vorgeschoben. Norwegen zeigt aber auch, dass eine Aufsichtsratsquote nicht der ganz große Wurf ist. Von ihr profitieren Karrierefrauen, die bereits auf dem Sprungbrett stehen, nicht aber die unterbezahlte Kassiererin im Discountsupermarkt oder die alleinerziehende Arbeitslose. Es braucht schon ein großes Paket mit verschiedenen Instrumenten, wenn sich die Verhältnisse für viele Frauen grundlegend verbessern sollen. Von Merkel und ihrer Mannschaft ist da nichts zu erwarten. Dass eine Bundesre­gierung unter Peer Steinbrück eine feministischere Politik machen wird, genauso wenig. Aber zum Glück gibt es ja noch Europa.