Die Aktionen des »Refugee Strike«

Auf Konfrontationskurs

Der »Refugee Strike« geht weiter, doch ­innerhalb der Bewegung gibt es Kritik.

Für gewöhnlich sind die Ausländerbehörden bestrebt, ihre Schikanen durch juristisch-behördliche Formulierungen zu kaschieren. Patras Bwansi dagegen bekam schwarz auf weiß, dass der Staat ihm Ärger machen will, weil er zu re­nitent wurde. Der Ugander, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, ist eine der führenden Figuren des gegenwärtigen Flüchtlingsstreiks. Die vergangenen sechs Monate verbrachte er nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft in Passau, sondern in einem Protestcamp auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Die zuständige Ausländerbehörde fühlte sich offenbar provoziert und stellte ihm unlängst eine sogenannte Ausweisungsverfügung zu.
Mit dieser solle »auch eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer erzielt werden«, schreibt die Behörde. Denen solle »unmissverständlich klar gemacht werden, dass im Falle des Untertauchens mit anschließendem illegalen Aufenthalt seitens der Ausländerbehörden unverzüglich aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchgeführt werden«. Dabei war Bwansi gar nicht untergetaucht – die Behörden wussten, dass er sich in dem Camp aufhielt.

Zum ersten Jahrestag des Beginns der aktuellen Flüchtlingsproteste in Deutschland häufen sich die Angriffe des Staats auf die Aktivisten des »Refugee Strike« – und das nicht nur auf adminis­trativer Ebene. Gleich drei Mal wurden Teilnehmer der »Refugee Revolution Bus Tour«, die bundesweit Asylbewerberheime abklapperte, um die Bewohner zu ihrem Protest einzuladen, in den vergangenen Wochen von der Polizei angegriffen. Zuletzt wurden sie am 19. März vor der Erstaufnahmestelle im schleswig-holsteinischen Neumünster von Beamten attackiert, doch bereits am 8. März in Karlsruhe hinderte sie die Polizei mit Knüppeln, Hunden und Pfefferspray daran, die Bewohner eines dortigen Heims zu treffen. Zwei Tage später in Köln griff die Polizei die Flüchtlinge abermals an, nachdem sie mit den Bewohnern des Heims Geißelstraße Kontakt aufgenommen hatten. Es gab 19 Verletzte, davon drei Schwerverletzte. Eine Aktivistin wurde bewusstlos geschlagen.

Im Anschluss an die Bustour fand am Wochenende in Berlin die »Refugee Revolution Demo« mit etwa 2 500 Teilnehmern statt. Das klingt nach einem starken gemeinsamen Kampf, doch auch innerhalb der Flüchtlingsszene stehen die Zeichen auf Konfrontation. Das zeigte sich zuletzt Anfang März in München beim großen »Refugee Struggle«-Kongress. Diesen hatten vor allem iranische Protestierende aus bayerischen Lagern organisiert, die sich nicht ganz zu Unrecht als Begründer des Streiks sehen und damit eine neue Phase des Protests einleiten wollten (Jungle World 09/2013).
Nun klagen Aktivisten der Organisation »Jugendliche ohne Grenzen« (JoG), in der sich seit rund zehn Jahren langjährig geduldete Jugend­liche zusammengeschlossen haben, über eine Spaltung auf dem Kongress. Es habe parallel stattfindende Plena für »citizens« und »non-citizens« gegeben und dabei seien einige ihrer Aktivistinnen und Aktivisten aufgrund ihres mittlerweile gesicherten Aufenthaltsstatus vom Plenum der »non-citizens« ausgeschlossen worden. Dabei wüssten sie, »was es heißt, jeden Tag von der Abschiebung bedroht zu sein«, weil sie selbst jahrelang in Duldung gelebt haben.
Der Begriff des »non-citizen« war erst kürzlich vor allem von den iranischen Protestierenden aus Bayern entwickelt worden, um den Kampf auf solche Personen zu konzentrieren, die entweder geduldet sind oder deren Asylantrag noch läuft. »Wir konnten vorhersagen, dass die Reak­tionen darauf nicht gut sein würden«, sagt der Iraner Ashkan Khorasani, der den Kongress ­mitorganisiert hatte. »Aber wir wollten eben eine klare Definition machen, wer wir sind und was unser Kampf ist.« Dass die Unterscheidung notwendig sei, daran gebe es auch gar keinen Zweifel.
Das sehen die JoG ähnlich. Spaltungen und Ausschlüsse seien dennoch falsch, schreibt die Organisation in einem offenen Brief. »Wir können und sollten davon ausgehen, dass manche Personen mit ihren Privilegien umzugehen wissen, sich zurückhalten können und zuhören, wenn es notwendig ist.«