»Es gab Todesdrohungen«

Vergangene Woche ist in Tunesien die 19jährige Amina, eine Feministin und Aktivistin der Gruppe Femen, verschwunden. Sie hatte auf Facebook Fotos veröffentlicht, die sie mit Slogans wie »Mein Körper gehört mir« und »Fuck your morals« auf ihrem nackten Oberkörper zeigen. Die Jungle World sprach mit der französischen Journalistin Caroline Fourest, die das Geschehen intensiv verfolgt und auf ihrem Blog dazu geschrieben hat, über den Aufruhr um Aminas politische Aktion und ihr mysteriöses Verschwinden.

Haben Sie inzwischen etwas von Amina gehört?
Ein Zeuge berichtet, dass plötzlich die Familie in einem Café im Zentrum auftauchte und sie mitnahm. Er meint, es sei jemand dabei gewesen, von dem zu vermuten ist, dass er von der Polizei ist. Es gibt auch dieses Video, auf dem man sieht, wie sie von Männern in ein Auto geschoben wird. Ihr Telefon war dann plötzlich abgeschaltet, auf Skype meldet sie sich auch nicht. Es gab zwei E-Mails von ihr, aber die sind nicht glaubwürdig. Angeblich soll sie von ihren Eltern in eine Psychiatrie eingewiesen worden sein, aber wir haben das überprüft. Der Chef der psychiatrischen Abteilung in Tunis hat nichts von ihr gehört. In keiner Psychiatrie in Tunesien gibt es eine Spur von ihr. Jetzt hat Bochra Belhaj Hmida, die Anwältin der Familie, verlauten lassen, sie sei zu Hause und komme bald wieder in die Schule. Es ist sehr schwer einzuschätzen, was passieren wird.
Ist sie in großer Gefahr?
Wir machen uns Sorgen. Ein salafistischer Imam meinte, sie müsse mit Peitschenhieben oder sogar mit Steinigung bestraft werden. Es gab Todesdrohungen. Die meiste Angst hatte sie aber vor ihrer Familie. Insbesondere ein Onkel war wirklich wütend auf sie. Sie war aber ungeheuer mutig und trat trotz der Drohungen öffentlich in einer Fernsehsendung auf.
Wie sind die öffentlichen Reaktionen?
In Tunesien sind sie, wie nicht anders zu erwarten, sehr gegensätzlich. Die meisten NGOs sind untätig. Dafür gibt es in den sozialen Netzwerken große Unterstützung, mit vielen Solidaritätsbekundungen und sogar einer Petition für eine Freilassung Aminas. 70 000 haben bereits unterschrieben.
Und wie geht es jetzt weiter?
Wir hoffen, dass stimmt, was die Anwältin der Familie gesagt hat, und Amina bald wieder auftaucht. Es wird keine Ruhe geben, bis wir sie nicht wenigstens auf Skype gesehen haben. Bis dahin werden wir weiterhin Druck ausüben. In diesem Fall handeln wir nicht als Französinnen oder Tunesierinnen oder Deutsche, sondern als Frauen und als Feministinnen.