Es war ein Kalb

Der 21. März ist ein dunkler Tag im Berliner Winter. Am Potsdamer Platz finden sich etwa 15 Menschen in einem Kreis aus Grabkerzen zu einer Kundgebung zusammen. Im Gepäck haben sie zwei Tier­käfige, in die sich wenig später Frauen sperren lassen. Offen zeigen sie ihre Nummerntattoos auf den Armen. Kurz vor der Aktion ließen sich einige die Zahl 269 stechen. Sie soll symbolisch für ein gestorbenes Kalb aus einer israelischen Massentierzucht stehen. In anderen deutschen Städten finden ähnliche Veranstaltungen statt, von einer ganzen 269-Bewegung ist die Rede. Ihren Ursprung fand sie Ende 2012 in Tel Aviv, dort ließen sich bei einer Aktion mit ähnlicher Symbolik Personen öffentlich ein Branding machen. Dies verhinderte in Berlin das Gesundheitsamt. In ihren Aufrufen schreiben die Macher, sie hätten sich bewusst für dieses Datum entschieden. Am 21. März 1933 gab Heinrich Himmler die Errichtung des Konzentrationslagers Dachau bekannt, einen Tag später wurden die ersten Häftlinge auf das Gelände gebracht. Neben dem Holocaust sehen die Veranstalter auch eine Parallele der Massentierhaltung zur Apartheid in Südafrika und meinen, der 21. März stehe »somit für den Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung«. Auf die Problematik der Relativierung der Shoah angesprochen, beginnen einige Beteiligte mit einem Marathon an Gleichnissen. Angefangen bei der antijüdischen Hetze im Nationalsozialismus, die nun auch in vergleichbarer Form die Tiere treffe, über Worte wie Deportation und Vernichtungswillen bis hin zu Gaskammern. Bei KZ-Überlebenden könne man die Aufregung ja noch verstehen, aber, so ein Teilnehmer, beschäftigten sich diese näher mit dem Thema, würde ihnen der Vergleich schon einleuchten. Gegen Antisemitismusvorwürfe sei die Aktion durch den israelischen Ursprung ohnehin immun. Bleibt zu hoffen, dass sich die Tierfreunde des Bärendienstes, den sie dem Veganismus erweisen, irgendwann bewusst werden.