Staat, Kirche und Tanzverbote

Kirchenstaat Deutschland

Ein Feiertag, an dem man nicht feiern darf? Das ist aber noch lange nicht der größte Unsinn. Deutschland befindet sich fest im Griff der Kirchen.
Von

Wie jeder gebildete Mensch weiß, gehört Musik zum Karfreitag einfach dazu. Gut überliefert ist, wie der vermeintliche Messias selbst an diesem Tag »Always look on the bright side of life« sang und fröhlich dabei pfiff. Doch auch, wenn man sein religiöses Wissen nicht aus der seriösen Cinematographie, sondern aus der vormodernen Unterhaltungsliteratur bezieht, wird man nichts Gegenteiliges finden. Dass die Kirchen sich bei ihrem Tanzverbot nicht einmal auf ihre eigene Vereinssatzung berufen können, ist armselig, dass sie darüber hinaus die Gesetze im Staate vorgeben, ein Skandal. Doch so ist das im Kirchenstaat Deutschland. Während Großalarm herrscht, wenn Muslime mit ihren Familienstreitigkeiten zum »Friedensstifter« in die Moschee gehen und jüdische Jungs ihre Vorhaut verlieren, dürfen die christlichen Kirchen hierzulande ungestört eine Parallelgesellschaft betreiben und diese sogar Menschen aufzwingen, die gottlos glücklich sind.
Das österliche Tanzverbot ist dabei nur eine Petitesse. Die in Deutschland weltweit fast einzigartige Erhebung von Kirchensteuern, die Finanzierung des Kirchenapparats aus dem Staatshaushalt, das Recht, an öffentlichen Schulen konfessionell gebundenen Religionsunterricht durch eigene Lehrer anzubieten, die Umgehung des Arbeitsrechts in kirchlichen Einrichtungen, die Verweigerung von Schwangerschaftsabbrüchen und – zumindest bis vor kurzem – der »Pille danach« in kirchlichen Krankenhäusern: Deutschland ist weit, sehr weit davon entfernt, ein laizistischer Staat zu sein. Bischöfe, Pfarrhäuser, die kirchlichen Kliniken und Kindergärten, Diakonie und Caritas, Papstbesuche und Kirchentage, das alles und viel mehr zahlt der Staat und somit jeder Steuerzahler, unabhängig von seinem Glauben, nicht etwa nur der Kirchensteuerzahler. 2011 beschloss der Bundestag einstimmig die Förderung des sogenannten Luther-Jahres 2017 zum Gedenken an einen der extremsten Judenhasser aller Zeiten. Der Bund spendiert dafür aus dem Kulturetat 35 Millionen Euro, das Land Sachsen-Anhalt ebenfalls, die evangelischen Landeskirchen legen gerade mal 17 Millionen Euro aus eigenen Mitteln drauf.
Doch was heißt schon »eigene Mittel«? Geschätzt wird, dass der Staat die Kirchen jährlich mit rund 20 Milliarden Euro subventioniert, dazu kommen 50 Milliarden für Caritas und Diakonie. Macht zusammen 70 Milliarden. Das wären für jeden Bundesbürger 854 Euro, oder um es im Geiste Franziskus’ den Armen zukommen zu lassen: für jeden Sozialleistungsbezieher knapp 10 000 Euro. Jährlich. Ach so, die rund neun Milliarden Euro Einnahmen aus der Kirchensteuer sind da noch gar nicht mitgerechnet. Man könnte mit dem Geld bequem jährlich sieben Inselstaaten im Mittelmeer retten oder rund um Berlin 16 Großflughäfen errichten oder neun Jahre lang ARD, ZDF und Deutschlandradio finanzieren. Die Kirchen predigen gerne soziale Verantwortung und preisen ihr karitatives Werk, doch es bezahlen andere, wir alle nämlich.
Am Karfreitag hat nicht nur Jesus gelitten, der Tag erinnert uns auch daran, welches Kreuz wir mit der nicht vollzogenen Trennung von Staat und Kirche zu tragen haben. Zu Recht ein Tag der Trauer, der Andacht also, einer, an dem man gerade deshalb umso ausschweifender Tanzen gehen sollte. Und immerhin, wir können froh sein, dass wir am Karfreitag nicht von der Sittenpolizei angehalten werden, Dornenkronen zu tragen. Noch nicht.