Das WM-Qualifikationsspiel zwischen Kroatien und Serbien

Kriegsverbrecherfreund vs. Kriegsverbrecherfreund

Die Trainer der kroatischen und serbischen Fußballnationalmannschaften zeigten sich beim WM-Qualifikationsspiel versöhnlich. Die serbischen Fans waren allerdings nicht dabei.

Nach einem Fehler von Alexsandar Kolarov erzielte der Bayern-Stürmer Mario Mandžukić in der 23. Minute den Führungstreffer für Kroatien. 14 Minuten später traf Wolfsburgs Ivica Olić zum 2:0-Endstand für Kroatien im WM-Qualifikationsspiel gegen Serbien. Dank der beiden Bundesligaprofis ist die kroatische Elf der WM-Teilnahme in Brasilien ein ganzes Stück näher gekommen, während die serbischen Männer nun kaum noch eine Chance haben, sich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Hätte es sich am Freitag voriger Woche um ein normales Qualifika­tionsspiel gehandelt, gäbe es nicht mehr zu diesem Match sagen, aber es war eben kein normales Qualifikationsspiel.
Vor dem Anpfiff wurden im Zagreber Stadion Maksimir antiserbische Schimpftiraden gebrüllt, welche die serbische Hymne übertönten. Mehrere Kroatien-Fans waren bereits vor dem Spiel festgenommen worden, weil sie Basecaps mit verbotenen Symbolen der faschistischen Ustascha trugen. Dass es friedlich blieb, ist keineswegs auf die Duldsamkeit der serbischen Fans zurückzuführen, sondern auf deren Abwesenheit. Der kroatische und der serbische Fußballverband hatten sich vorab darauf geeinigt, die jeweils gegnerischen Fans nicht einreisen zu lassen, um Randalen und Spielabbrüchen vorzubeugen. Notwendig wurde dies, weil Uefa-Präsident Michel Platini im Falle von Ausschreitungen mit Sanktionen drohte. Bereits im Oktober 2010 hatten serbische Hooligans dafür gesorgt, dass ein Spiel gegen Italien nach sieben Minuten abgebrochen werden musste, indem sie den italienischen Torhüter mit Bengalos bewarfen. Auch die kroatischen Hooligans sind für Ausschreitungen bekannt und werden sich das Rückspiel im Fernsehen anschauen müssen, wenn dann die Serben antikroatische Schimpftiraden brüllen.
Nach wochenlangen Medienschlachten vor dem Spiel waren viele Zuschauer schließlich positiv überrascht über das sportliche Verhalten der beiden Trainer. Igor Štimac, der kroatische Nationaltrainer, sagte nach dem Spiel: »Serbien war ein starker Gegner mit vielen jungen Talenten«, woraufhin Siniša Mihajlović, der serbische Nationaltrainer, erwiderte: »Wir haben gegen die bessere Mannschaft und einen erfahrenen Gegner verloren.« Nach dem Spiel umarmten die beiden sich sogar. Die Geste der Versöhnung ist keine Selbstverständlichkeit. Die beiden Trainer galten seit dem letzten jugoslawischen Pokalfinale am 8. Mai 1991 zwischen Hajduk Split und Roter Stern Belgrad als verfeindet. Bei diesem Spiel foulte Mihajlović den Kroaten Štimac und war dabei offensichtlich darauf aus, seinen Gegenspieler absichtlich zu verletzen. Beide wurden vom Platz gestellt. In einem Interview erklärte Mihajlović später, er habe Štimac gefoult, weil dieser zu ihm gesagt habe: »Ich bete zu Gott, dass deine ganze Familie ermordet wird.«
Im Laufe des Krieges haben beide Coaches enge Freundschaften zu Kriegsverbrechern gepflegt. Seine Freude über den Freispruch des kroatischen Generals Ante Gotovina im November (Jungle World 50/12) versuchte Igor Štimac keineswegs zu verbergen. Er gilt als enger Freund des Mannes, der sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag für die Vertreibung zehntausender Serben verantworten musste. Štimac schlug sogar vor, Gotovina solle als Ehrengast zum Spiel gegen Serbien kommen und symbolisch den Anstoß ausführen. Für diesen Fall drohte Mihajlović mit einem Boykott, Štimac zog daraufhin seinen Vorschlag zurück.
Auch der Trainer der serbischen Elf unterhielt engste Verbindungen zu Kriegsverbrechern, allen voran zu dem berüchtigten Željko Ražnato­vić, besser bekannt unter seinem Spitznamen Arkan. Dieser half Mihajlović dabei, in Belgrad akzeptiert zu werden und Fuß zu fassen. Schließlich galt er vielen als nicht serbisch genug, da seine Mutter Kroatin ist und seine Kinder in einer katholischen Kirche und nicht in einer serbisch-orthodoxen getauft wurden. Arkan hatte, hauptsächlich mit Ultras von Roter Stern Belgrad, eine Freischärlereinheit gegründet. Diese war für ihr brutales Vorgehen im Kroatien- und Bosnien-Krieg bekannt, wo sie geplündert, vergewaltigt und gemordet hatte. Auch mit der Durchführung der »ethnischen Säuberungen« wurden Arkans sogenannte Tiger beauftragt. Allein die Ultras aus dem Kreis von Roter Stern Belgrad sind nachweislich für Massaker an Hunderten Menschen verantwortlich. Mitglieder der Freischärler waren 2003 auch an der Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djinđjić beteiligt. Željko Ražnatović galt zeitweise nach Slobodan Milosević als der wichtigste Angeklagte, den es nach Den Haag zu bringen galt. Aus Dankbarkeit zu Arkan lief der gegenwärtige serbische Nationaltrainer oft mit einem Bild des Kriegsverbrechers herum und bekundete stolz die Freundschaft mit ihm. In der Schlacht um Vukovar war Mihajlovićs Onkel, ein kroatischer Offizier, von Arkan gefangen genommen. Dieser wurde vor die Wahl gestellt, ob er ihn abholen oder den »Tigern« überlassen wollte, was wahrscheinlich dessen Tod bedeutet hätte. Mihajlović nahm seinen Onkel daraufhin zwei Monate lang bei sich in Belgrad auf. Die Geschichte des Trainers steht stellvertretend für die von hunderttausenden Bewohnern des ehemaligen Jugoslawiens, in dem Jugoslawismus und Multikulti keine Optionen mehr waren. Wer bleiben wollte, musste sich oftmals für einen der rivalisierenden Nationalismen entscheiden und sich diesem gegenüber als solidarisch erweisen.
Man muss weder ein Experte für Fußball noch für Südosteuropa sein, um sich denken zu können, dass die Partie Kroatien gegen Serbien Erinnerungen an den Bürgerkrieg hervorruft und mit starken Emotionen verbunden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass der Fußball eine entscheidende Rolle bei der Kriegsmobilisierung im ehemaligen Jugoslawien spielte. Nicht wenige Menschen behaupten, der Krieg habe am 13. Mai 1990 im Zagreber Maksimir-Stadion begonnen. Ein Erstligaspiel zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad wurde bereits vor dem Anpfiff zu einer Massenschlägerei, die durch nationalistische Ultras beider Seiten ausgelöst wurde, die aufeinander losgingen. Zvonimir Boban, zu diesem Zeitpunkt Dinamo-Spieler und später Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft, beteiligte sich an diesen Ausschreitungen, indem er einen Polizisten trat, welcher wiederum zuvor einen Dinamo-Fan niedergeschlagen hatte. Dieser Tritt wurde in Kroatien zu einem nationalen Symbol für die Auflehnung gegen den jugoslawischen Vielvölkerstaat im Allgemeinen und Belgrad im besonderen. Kurze Zeit nach diesem berüchtigten Spiel dürften sich sowohl die Dinamo-Ultras, die Bad Blue Boys, als auch die Belgrader Ultras auf dem Schlachtfeld wiedergesehen haben. Erstere meldeten sich als Freiwillige, um gegen die serbische Armee zu kämpfen, letztere sammelten sich um Arkan.
Nach Kriegsende wurde die Ultraszene in Kroatien und mehr noch in Serbien zur Heimstätte der Rechtsextremen. Die personellen Überschneidungen zwischen rechtsextremistischen Gewalttätern und Ultras sind so groß, dass es mancherorts kaum noch Sinn ergibt, zwischen beiden Gruppen zu differenzieren. Trauriger Höhepunkt war die Gay-Pride 2010 in Belgrad, bei der knapp 6 000 Gegendemons­tranten, die meisten aus dem Umfeld rechtsextremer Fußballgruppen, Belgrad in ein Schlachtfeld mit etwa 200 Verletzten verwandelten (Jungle World 42/2012). Was die rechten Fans den Jugendlichen bieten, hat mit Fußball wenig zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine Identitätsschablone, die zum Faschismus erzieht.