Die Zukunft von Initiativen gegen rechts

Nach dem Motto spielt doch Lotto

Statt die NPD zu verbieten, will die Bundesregierung extrem rechtes Denken bekämpfen. Die Zukunft vieler Initiativen gegen rechts ist ab kommendem Jahr aber wieder ungewiss.

Die Bundesregierung gab vorige Woche bekannt, dass sie keinen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD einreichen wird. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begründete dies damit, dass der »Kampf gegen den Rechtsextremismus« nicht auf ein NPD-Verbotsverfahren verengt werden dürfe, sondern eine politische und gesellschaftliche Aufgabe sei. »Wir müssen uns darauf konzentrieren, alles zu tun, um gegen diese Gesinnung in unserer Gesellschaft vorzugehen«, sagte die Ministerin. Die gesellschaft­lichen Initiativen, die sich genau dieser Aufgabe verschrieben haben, stehen jedoch derzeit wieder einmal vor einer ungewissen Zukunft, da sich die FDP in Koalition mit CDU und CSU weigert, ihnen dauerhafte finanzielle Sicherheit zu gewähren.
»Exit vor dem Exit« titelte die Taz am Mittwoch voriger Woche angesichts des drohenden Endes der öffentlichen Förderung des Aussteigerprogramms für Neonazis. Weil die bisherige Förderung ausläuft, sah es zeitweise so aus, als müsse das Projekt Ende März dichtmachen. Zwei Tage später einigte sich die Koalition dann doch noch auf eine Weiterfinanzierung des Vorzeigeprojekts, das zukünftig aus Mitteln des Familienministeriums gefördert werden soll. Zwar sind Aussteigerprogramme bekanntermaßen keineswegs dafür geeignet, die hinter dem Neonazismus stehenden gesellschaftlichen Denkmuster zu bekämpfen. Doch schaffen sie es immerhin, Menschen aus militanten Neonazistrukturen herausholen und damit die Anzahl potentieller rechter Gewalttäter zu verringern. Exit begleitete in den vergangenen 13 Jahren über 480 Nazis bei ihrem Ausstieg. Zu Recht betonte Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, dass das staatliche Alternativprojekt, das vom ehemaligen SPD-Innenminister Otto Schily eingeführte »Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten« des Bundesverfassungsschutzes, eher das Gegenteil erreichen möchte: »Der Verfassungsschutz wirbt eher Leute an, damit sie in der Szene bleiben und Informationen beschaffen.«

Die Mitarbeiter von Exit müssen sich vorerst keinen neuen Job zu suchen. Jedoch steht die Finanzierung von zahlreichen anderen Projekten, die mit staatlicher Förderung politische Arbeit gegen Neonazismus und Rassismus betreiben oder konkret den Opfern rechter Gewalt helfen, wieder einmal zur Disposition. Ende dieses Jahres läuft die Förderphase des Bundesprogramms »Toleranz fördern – Kompetenz stärken« aus, das seit 2011 mit 24 Millionen Euro jährlich Projekte gegen »Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus« gefördert hat. Alle drei Jahre stehen staatlich geförderte Initiativen erneut vor der existentiellen Frage, ob es wieder ein solches Programm geben wird, wie viel Geld zur Verfügung stehen wird und wer davon etwas abbekommt. In Verbindung mit der anstehenden Bundestagswahl ergibt sich ein weiteres Problem für die Initiativen gegen rechts. Da der neue Haushalt wegen eines möglichen Regierungswechsels voraussichtlich erst im April 2014 verabschiedet werden kann, ist bereits jetzt eine Finanzierungslücke von mindestens drei Monaten absehbar. Die Grünen fordern eine Übergangslösung für diese Zeit sowie eine grundlegende Änderung der prekären Förderpraxis, um den Fortbestand der Projekte zu garantieren.

An der Notwendigkeit der Projekte kann kein Zweifel bestehen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nannte vergangene Woche dem Tagesspiegel erste Zahlen zur sogenannten politisch rechts motivierten Kriminalität im Jahr 2012. Demnach ist die Anzahl rechter Straftaten insgesamt um vier Prozent auf 17 600 gestiegen, im Schnitt kam es im vorigen Jahr täglich zu zwei bis drei rassistischen oder neonazistischen Übergriffen. Ungeachtet dieser Zahlen lässt die Regierung die Projekte gegen rechts in Unsicherheit verharren. Hiervon sind auch die mobilen Opferberatungsstellen betroffen, was gerade angesichts des rassistischen staatlichen Umgangs mit der neonazistischen Terrorserie des NSU und den Hinterbliebenen der Opfer ein Skandal ist. Aufgrund der Förderpraxis muss die Bundesregierung zudem noch nicht einmal unliebsamen Projekten aktiv das Geld streichen, was sie wohl in Rechtfertigungszwang brächte, sondern kann einfach still und leise die Förderung alle paar Jahre auslaufen lassen.
Die derzeitige Förderpraxis orientiert sich an den Richtlinien für den Kinder- und Jugendplan des Bundes. Dies bedeutet zum einen, dass die Förderung nur zeitlich begrenzt möglich ist, und zum anderen, dass die Entscheidungsbefugnis einzig beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend liegt. Damit ist sie zugleich vom politischen Wohlwollen der Regierung abhängig. Das möchten verschiedene Organisa­tionen, darunter der DGB, der Bundesjugendring sowie die Amadeu-Antonio-Stiftung nun ändern und berufen sich auf ein von ihnen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das vorige Woche veröffentlicht wurde. »Eine langfristige, dauerhafte Finanzierung der Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratieförderung ist verfassungsrechtlich möglich«, betonen darin die Staatsrechtler Ulrich Battis von der Berliner Humboldt-Universität und Joachim Grigoleit von der Tech­nischen Universität Dortmund. Da die »Förderung demokratischer Kultur und die Bekämpfung des Neonazismus« gesamtgesellschaftliche Aufgaben darstellten, sei eine dauerhafte und von aktueller Regierungspolitik unabhängige Finanzierung der Projekte nicht nur verfassungsrechtlich möglich, sondern angebracht, so die Gutachter. Dies könnte zum Beispiel durch die Gründung einer Stiftung geschehen. Die Auftraggeber der Studie, zu denen auch die jüdische und die muslimische Gemeinde sowie der Zentralrat der Roma und Sinti gehören, wollen sich nun ebenso wie die SPD und die Grünen für eine Änderung der prekären und von der Tagespolitik abhängigen Förderpraxis einsetzen.

Ob das Gutachten etwas an der Förderpraxis ändern wird, ist jedoch fraglich. Der staatliche Kampf gegen rechts hängt eben nicht von den rechtlichen Möglichkeiten ab, sondern vom politischen Willen derjenigen, die das Geld verwalten. Daran lässt Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die auch »Rassismus gegen Deutsche« bekämpfen möchte, seit ihrem Amtsantritt wenig Zweifel. Erst stellte sie durch die Einführung der Extremismusklausel sämtliche antifaschistischen und antirassistischen Projekte unter Generalverdacht. Dann erschuf sie 2011 die »Initiative Demokratie Stärken« als »Bundesprogramm gegen Linksextremismus und islamistischen Extremismus«. An der Tatsache, dass zur Förderung durch dieses Programm nur zehn Prozent Eigenmittel benötigt werden, während Projekte gegen Rechts 50 Prozent Eigenfinanzierung aufbringen müssen, lässt sich die politische Motivation ebenso ablesen wie an einigen der geförderten Projekte.
So veranstaltet die »Deutsche Gesellschaft e. V.« mit Sitz in Berlin als Projektträgerin jährlich 40 staatlich finanzierte »Präventionsworkshops gegen (Links-)Extremismus« an Schulen und Bildungseinrichtungen. Zur Abschreckung wird der Film »Der Baader-Meinhof-Komplex« gezeigt, dazu werden die Lieder »Kein Gerede« von WIZO und »Bullenschweine« von Normahl vorgespielt. Worin der politische Sinn solcher Veranstaltungen besteht, erklärt Projektleiterin Heike Tuchscheerer auf Anfrage der Zeit: »Linksextremismus beginnt, wenn unsere freiheitliche Gesellschaft durch ein anderes System ersetzt werden soll«, so die Politologin, die beim »Extremismusexperten« Eckhard Jesse promoviert hat. Hier zeigt sich die konkrete gesellschaftliche Auswirkung der sogenannten Extremismustheorie, die von Ministerin Schröder offensiv vertreten wird. Aufbauend auf diesem Ansatz werden nicht menschenfeindliche Einstellungen an sich bekämpft, sondern nur Abweichungen vom vermeintlichen freiheitlich-demokratischen Mainstream. So verwunderte es auch niemanden, dass gerade Innenminister Friedrich in Hinblick auf das NPD-Verbot betonte, dass »für rassistische Parteien in unserer Demokratie kein Platz ist«, obwohl er selbst seit Monaten gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Abkommem Stimmung macht. Zur »Sicherheit unserer Bürger« will er die Grenzkontrollen aufrechterhalten und warnte vor dem »zunehmenden Asylmissbrauch« und »massiven Zustrom serbischer und mazedonischer Staatsangehöriger«, insbesondere »wenn sich erstmal herumspricht, was eine vierköpfige Familie in Deutschland an Sozialleistungen erhält«. Das hätte die NPD kaum besser formulieren können. Wenn man bedenkt, dass die Förderung der demokratischen Kultur von Politikern und Politikerinnen wie Friedrich und Schröder abhängt, braucht man sich über die »deutschen Zustände« (Wilhelm Heitmeyer) nicht wundern.