Deutschland, Zypern und die Euro-Krise

Russen zur Kasse

Im Fall Zyperns hat das europäische Krisenmanagement eine Wendung vollzogen.

Als nach der Nachtsitzung zur Zypern-»Rettung« am frühen Montagmorgen die Verhandlungspartner vor die Mikrophone traten, standen die Sieger fest. Während Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis sichtlich zerknirscht verkünden musste, man habe einen Kompromiss gefunden, »der im Interesse des zyprischen Volkes und der EU« sei, wobei die Betonung auf Letzterer liegt, waren die Vertreter der Gegenseite sichtlich zufriedener. Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Euro-Gruppe, sprach von einer »wirklich guten Lösung«, die man dem Inselstaat abgerungen habe. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzte noch eins drauf und sagte, »dass wir jetzt das erreicht haben, was immer unsere Position war«. Öffentlichkeitswirksam wurde allseits darauf verwiesen, dass die Spareinlagen bis 100 000 Euro, die unter die europäische Einlagengarantie fallen und die zehn Tage zuvor auch von den Finanzministern der Euro-Zone noch in Frage gestellt worden waren, nun gerettet worden seien.
Was als hehres Anliegen daherkommt, stellt eine Wendung im europäischen Krisenmanagement dar, die einen Ausblick auf die kommenden Verwerfungen erlaubt. Denn während die dominierende deutsche Krisenstrategie bisher auf den Schutz des Kapitals vor der Entwertung und die Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit in den betreffenden Ländern gerichtet war, was die fundamentale Infragestellungen der Löhne, Sozial- und Versicherungsleistungen in den Krisenstaaten zur Folge hatte, wird jetzt auch die Vernichtung der Kapitaltitel betrieben. Der Eigenbeitrag Zyperns zum »Rettungspaket« von sieben Milliarden Euro wird nun tatsächlich überwiegend durch die Streichung beziehungsweise die Reduzierung der Forderungen der Gläubiger, Anteilseigner und Großkunden der beiden großen Finanz­institute des Landes erbracht.
Dass eine – im kriselnden Kapitalismus letztlich unausweichliche – Kapitalvernichtung nun aus­gerechnet im Fall Zyperns durchexerziert wurde, ist kein Zufall. Weit über ein Viertel der Bankein­lagen und fast 40 Prozent der Auslandsinvestitionen des Staats kommen aus Russland. Aufgrund des selbst im Vergleich zu anderen Steuerparadiesen ausgesprochen niedrigen Steuersatzes von zehn Prozent hat sich Zypern für vermögende Russen zu dem entwickelt, was Luxemburg und Irland für deutsches und anderes europäisches Kapital darstellen: eine Steueroase. Dass diese weitermachen dürfen wie bisher, während »Zypern gezwungen wird, seine Anleger zu bestrafen«, darauf hatte Anastasiadis wiederholt empört hingewiesen. Damit trifft er genau den Punkt. Neben der Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit in der Euro-Zone – im Falle Zyperns vermutlich ähnlich illusorisch wie in Griechenland – wird der Schutz heimischen Kapitals vor der Entwertung immer stärker in den Fokus der deutschen Krisenpolitik rücken. Da bittet man natürlich lieber »russische Oligarchen, die serbische Mafia und Steuerhinterzieher«, die vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel als »das bisherige Geschäftsmodell auf Zypern« identifiziert wurden, zur Kasse als ihre deutschen Brüder.