Berlin Beatet Bestes

Trauer und Stresser

Berlin Beatet Bestes. Folge 186. Mönster: Arbeit ist scheiße (Keine aber auch) (2006).

Es tut mir leid, was ich gemacht habe.« Das ist der letzte Satz im Abschiedsbrief meines Freundes. Am Montag wurde er beerdigt. 200 Freunde und Familienangehörige kamen zur Beisetzung. Er war sehr beliebt und auch sehr liebenswert. Ich bin traurig. Aber vor allem wütend. Wütend auf ihn, weil er sein Leben einfach weggeschmissen hat, aber noch wütender auf die, die statt seiner weiterleben. Die ganzen blöden Arschlöcher, die niemand mag. Die Langweiler, die Typen wie ihm immer nur hinterherdackeln und nie selber was machen. Die leben fröhlich weiter. Nur er hielt es nicht mehr aus, zu leben. Sein Tod ist so sinnlos und ungerecht, dass ich es den Langweilern und Mitläufern, die gar nicht genug wollen, um zu leiden, nie verzeihen werde. Es macht mich so wütend. Am meisten hat er an den Ansprüchen gelitten, die er an sich selbst gestellt hat. Aber auch an einer Arbeit, die ihn beständig überforderte. Weil es immer zu viel Arbeit war, die enorme Kräfte verzehrte und dann plötzlich abrupt beendet war. Wie nach einem Drogenrausch fiel er regelmäßig in ein Loch. Um dann gleich weitermachen zu müssen. Seine Depression war sicher in ihm angelegt, aber diese zerstörerische, selbstausbeuterische Form der Arbeit hat sie noch befördert und hat ihn ausgehöhlt. Viele, die ihn nicht so gut kannten, waren über seinen Tod verwundert. Er wirkte immer so agil und tatkräftig. Und das war er auch, schon rein physisch, und das stellte er auch dar. In ihm steckten gleich zwei von meiner Statur. Es hat ihm nichts genützt. Es hat auch nichts genützt, dass ich oft mit ihm gesprochen habe, als er so down war, dass er schon lange nicht mehr arbeiten konnte. Ich wollte ihm vermitteln, woran ich glaube. Dass man sich kleine Aufgaben stellen soll, die man bewältigen und anschließend mit Stolz betrachtet kann. Und die man dann abhakt. Dass man niemanden beeindrucken muss. Fuck the world! Der Rest der Welt ist scheißegal. Der Sinn des Lebens ist es, Spaß zu haben. Einen anderen Sinn gibt es nicht. Und es macht Freude, vielleicht sogar die intensivste, anderen eine Freude zu machen. Es war alles nicht genug. Ihm war es nicht genug, so zu leben. Sein Leben sollte größer sein, und weil das unerreichbar schien, beendete er es.
Was bleibt, sind Trauer, Wut und viele Fragen. Er hat sich entschieden. Was ist mit mir? Bin ich zu bequem? Zu bescheiden? Zu wenig ehrgeizig? Nein. Ich muss an eine Begegnung vor einigen Jahren, mit einem Typen aus der Comic-Szene denken, einem bulligen Macher-Typen und ironischerweise APPD-Aktivisten. Der Anarchistischen Pogo-Partei mit dem Slogan »Arbeit ist scheiße«. Der betrachtete meinen überschaubaren Output an Comics und fragte mich dann ehrlich empört: »Mann, was machst du eigentlich den ganzen Tag?« Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, und habe mich geschämt. Noch lange. Aber jetzt sicher nie wieder. Weil ich sehr glücklich bin mit der Arbeit, die ich mache und die ich schaffe. Der tödliche Stress kann mir gestohlen bleiben. Und für Stresser wie den habe ich nur Hass. Sehr agilen, nachhaltigen Hass.