Eine umstrittene Veranstaltung mit dem iranischen Botschafter in Deutschland

Die Akademie und der Botschafter

Eine evangelische Bildungseinrichtung lädt Repräsentanten des iranischen Regimes in Deutschland zur Diskussion.

Was machen deutsche Akademiker und evangelische Funktionäre, wenn sie über Möglichkeiten diskutieren möchten, die »iranische Zivilgesellschaft« zu stärken? Planen sie Veranstaltungen mit Vertretern der iranischen Opposition? Organisieren sie Panels mit in Deutschland lebenden Exiliranern? Nein, sie laden den Botschafter des Regimes ein, unter dem Zehntausende Iraner ermordet und Millionen ins Exil getrieben wurden.

Am 18. April soll Ali Reza Sheikh Attar, dem von iranischen Oppositionellen unmittelbare Verantwortung für zahlreiche Morde in den kurdischen Gebieten des Iran vorgeworfen wird, an einer Konferenz teilnehmen. Sie trägt den Titel: »Neue Po­litik für den Mittleren Osten. Wie kann die iranische Zivilgesellschaft gestärkt werden?« Ebenfalls eingeladen ist Kazem Sadjadpour vom iranischen Außenministerium, das 2006 die »Holocaust-Konferenz« in Teheran veranstaltete, die bekanntlich der Leugnung der Shoah diente.
Die Veranstaltung wird von der in der niedersächsischen Provinz gelegenen Evangelischen Akademie Loccum veranstaltet, die in besseren Zeiten Theodor W. Adorno zu ihren Referenten zählte. Der Direktor der Akademie, Stephan Schae­de, traf sich 2010 zu einem Gespräch mit Abolfazl Rahnama, der das Amt des Kulturrats der iranischen Botschaft bekleidet, und vereinbarte nach Angaben von deren Kulturabteilung eine »langfristige Zusammenarbeit«.
Die Tagung wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Die Bildungseinrichtung erhält für den Plausch mit iranischen Repräsentanten auch Unterstützung aus SPD und Union: Björn Thümler, der als CDU-Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag im Konvent der Akademie sitzt, begrüßt gegenüber der Jungle World, dass die Frage, wie »die demokratischen Kräfte im Iran« gestärkt werden könnten, »in einem vielfältigen Dialog und damit unter anderem auch mit dem iranischen Botschafter in Deutschland diskutiert wird«.

Thela Wernstedt, die als Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag dem Konvent der Akademie angehört, schloss sich auf Nachfrage einer Aussage von Marcus Schaper an. Der Studienleiter für Internationale Politik und Geschichte der Akademie und Organisator der Konferenz sagte der Jungle World: »Evangelische Akademien sind dem Diskurs verpflichtet. Das bedeutet für uns im konkreten Fall, dass wir Akteure zusammenbringen, um miteinander und nicht nur übereinander zu sprechen, und es schließt den Vertreter der iranischen Regierung in Deutschland ein.«
Zu der Frage, wie die Einladung eines Vertrauten Mahmoud Ahmadinejads wie Attar, der auch ein gerngesehener Gast bei den Lobbyisten der Deutsch-Iranischen Handelskammer ist, eine Stärkung der iranischen Zivilgesellschaft bewirken soll, äußerte sich Schaper ebenso wenig wie dazu, warum kein exiliranischer Oppositioneller zu der Konferenz eingeladen wurde. Es wäre auch schwierig zu erklären, wie man »Akteure zusammenbringt, um miteinander und nicht nur übereinander zu sprechen«, wenn man zwar Repräsentanten des iranischen Regimes, das seine Gegner ermordet, sobald es ihm opportun erscheint und sich ihm eine Gelegenheit bietet, ein Podium verschafft, nicht aber den verfolgten Gegnern.
Auch der Einwand, dass derartige Auftritte die Sanktionsbemühungen konterkarierten, die Opposition im Iran und im Exil schwächten und der Legitimation der Politik der iranischen Machthaber dienten, die neben Schwulenverfolgung und Frauenunterdrückung Vernichtungsdrohungen gegen Israel sowie ein Nuklear- und Raketenprogramm beinhaltet, mit dem diese Drohungen in die Tat umgesetzt werden könnten, blieb unerwidert. Zu der Frage, wie die Evangelische Akademie ihren Hinweis auf die »nationalsozialistische Gewaltherrschaft und die Mitschuld der Evange­lischen Kirche an der Katastrophe« in ihrer Selbstdarstellung mit der Einladung eines Vertreters solch eines Regimes vereinbaren könne, wollten sich trotz mehrfacher Nachfrage weder Vertreter der Akademie noch die CDU- und SPD-Vertreter in deren Konvent äußern – darunter Stefan Schostok, der für die SPD in Hannover als Oberbürgermeister kandidiert.

Mittlerweile gibt es öffentliche Kritik an der Einladung des iranischen Botschafters. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Hannover hat ein Protestschreiben angekündigt. Hiwa Bahrami, der Sprecher der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran in Deutschland, fordert die Absage des Auftritts von Attar: »Anstatt mit den Mördern der iranischen Freiheitsbewegung und antisemitischen Holocaustleugnern einen fruchtlosen Dialog zu führen, muss der Westen sich endlich unmissverständlich zur Unterstützung der iranischen Opposition bekennen. Alle Gefahren, die von diesem Regime ausgehen, lassen sich letztlich nur beseitigen, wenn dieses Regime gestürzt wird.« Saba Farzan vom Mideast Freedom Forum Berlin kritisiert in einem Protestbrief an Klaus Holz, den Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland, das Gesamtkonzept der Tagung: „Es ist eine Verhöhnung der jungen iranischen Generation, wenn Sie vorgeben, mit dieser Konferenz die iranische Zivilgesellschaft stärken zu wollen.”
Für Absagen von Veranstaltungen mit Attar gibt es Vorbilder: 2010 verzichtete das Hamburger Hotel Atlantic Kempinski auf eine Konferenz mit dem iranischen Botschafter, nachdem Kundgebungen gegen die Tagung angekündigt worden waren. 2009 und 2011 sagten die Stiftung Schloss Neuhardenberg und die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen Veranstaltungen mit Attar nach Protesten ab. Die Vertreter der Evangelischen Akademie zeigen sich jedoch unbeeindruckt und ziehen eine Ausladung der iranischen Repräsentanten bisher nicht in Erwägung.