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Aus dem Nichts entsteht nichts – auch beim Zeitungsmachen verhält es sich so. Anregung und Inspiration braucht es da. Und machen wir uns nichts vor: Anregung und Inspiration sind lediglich beschönigende Worte dafür, sich auch einmal ausgiebig bei den anderen umzusehen. Was wir auch tun: Selbstverständlich haben wir ein Auge darauf, wie andere Medien an drängende Themen herangehen. Und sollte uns das nicht anregen oder inspirieren, dann kann es gelegentlich doch zumindest amüsant sein.
Dank für gute Unterhaltung gebührt in dieser Woche den Kolleginnen und Kollegen vom Spiegel. Ihr Titel­thema ist zwar alles andere als drängend, kann aber durchaus überraschen – und das schon auf der Titelseite: Obwohl es um eine historische deutsche Gestalt geht, ist erstaunlicherweise nicht Adolf Hitler abgebildet! Der Spiegel hat nämlich Richard Wagner zu seinem 200. Geburtstag ein Titelbild und die Schlagzeile »Das wahnsinnige Genie« gewidmet, noch dazu hat der Zeichner dem Komponisten einen feuerspeienden Handtaschendrachen auf den Schoß gesetzt.
Auf der Themenstrecke hitlert es aber doch gewaltig, denn: »In Hitler steckte auch ein Wagner, und deshalb steckt in der Erinnerung an Wagner auch ein Hitler.« War Wagner also so etwas wie der »Größte Komponist aller Zeiten« (Grökaz)? Wer oder was nun wie tief und warum in wem steckt, wird auf den acht Seiten des Artikels nicht ersichtlich. Warum sich der Autor auf einer derartigen Länge an einem großen Komponisten und ebenso großen Antisemiten, »dem deutschen Schicksalskomponisten Richard Wagner«, abmüht, wird dennoch klar, denn er schreibt mit großem Bedauern: »Die Nazijahre liegen wie ein Sperrriegel vor der Erinnerung an das gute Deutschland, an die Komponisten, Dichter und Philosophen, die der Welt im 18. und 19. Jahrhundert so viel Schönheit und Erkenntnis beschert haben, Kant, Hegel, Goethe, Schiller, Beethoven, Wagner, die Romantiker.«
Ob es den Kollegen vom Spiegel mittlerweile gelungen ist, die Erinnerung an das »gute Deutschland« zu entriegeln, ist uns nicht bekannt. Wir wünschen ihnen jedenfalls noch viel Freude bei der deutschen Selbstfindung, in der sowohl der Gröfaz als auch der Grökaz steckt.
In unserer neuen Ausgabe versteckt sich hingegen trotz des Jubiläums kein Artikel über Richard Wagner. Auch über das schlimme Wetter müssen Sie nichts lesen, das haben Sie ja schon vor Ihrer Tür. Wir behaupten einfach: Sie finden bei uns wieder einmal Artikel zu drängenden Themen, die wir Ihnen zur Anregung und Inspiration anbieten. Und amüsieren dürfen Sie sich selbstverständlich auch.