Das »Barbie Dreamhouse« in Berlin

Barbie oder Ein Puppenheim

Mattel will in Berlin die Wanderausstellung »Barbie Dreamhouse« zeigen. Dagegen protestieren linke Gruppen. Auch Lego wird kritisiert und muss sich Rassismus vorwerfen lassen. Wie politisch ist Spielzeug?

Ein weißer Kapitän strandet auf einer Südseeinsel und wird sofort zum König ernannt, allein wegen seiner Hautfarbe. Seine Untertanen werden mit rassistischen Begriffen bezeichnet und erscheinen als Primitivlinge, die kaum in der Lage sind, die Sprache ihres Königs zu lernen. Natürlich erwerben schwarze und weiße Kinder, die so etwas lesen, ein bestimmtes, von gesellschaftlichen Werten geprägtes Weltwissen – und das ist wohl auch eine Aufgabe von Büchern und Spielzeug: Wie »Pippi Langstrumpf« sollen sie dabei helfen, die Welt zu verstehen und spielerisch kennenzulernen. Wie wir Erfahrenes beurteilen, hängt auch von unseren Prägungen ab.
Von dem Vorhaben der Firma Mattel ist daher wenig Gutes zu erwarten. Auf 2 500 Quadratmetern soll am Berliner Alexanderplatz die Ausstellung »Barbie Dreamhouse« gastieren – eine rosarote Wunderwelt, in der Mädchen die Wahl zwischen vier Rollenmustern haben: Cupcake-Bäckerin, Shopaholic, Model und Popstar. Zur Eröffnung im Mai haben Organisationen wie die Linksjugend »solid« und die werbekritische Initiative »Pinkstinks« zu Protesten aufgerufen.
Heute bloß noch Symbol für ein sexistisches Frauenbild, hat Barbie eigentlich eine interessante Vergangenheit: Erfunden von der 1916 geborenen Amerikanerin Ruth Handler, probierte Barbie nicht nur immer wieder die neueste Mode aus, sondern auch ganz verschiedene Berufe. 1989 war Barbie Unicef-Botschafterin. Ihrer Zeit war sie oft voraus: Schon 1965 gab es eine Astronautin, Doktortitel hat Barbie gleich mehrere. Emanzipiert war Barbie anfangs also durchaus. Das jedenfalls war die Absicht ihrer Erfinderin, die keine Babypuppe herstellen wollte und sich damit gegen ein Rollenmodell für Mädchen stellte, das allein das Hausfrauendasein und die Mutterschaft zur Identifikation anbot. Von dieser Vielfalt ist nicht nur im Falle von Barbie wenig übriggeblieben: Spielzeug ist heute stärker geschlechtsspezifisch ausgerichtet als noch in den achtziger Jahren. Damals warb die dänische Firma Lego mit einem Mädchen in Jeans und Turnschuhen, das ein selbstgebautes Modell stolz in die Kamera hielt. Bezüge auf ihr Geschlecht im Begleittext? – Keine. Heute dürfen Mädchen mit dem pinken »Lego Friends« Hunde pflegen oder zum Friseur gehen.
Ein gesättigter Markt erfordert klarere Zielgruppen – für die binäre Einteilung in Rosa und Hellblau, Krieg und Küche gibt es ökonomische Gründe. Und so richten sich Werbeclips für Spielzeug entweder an Jungen oder an Mädchen. Jungen erleben Abenteuer, während Mädchen zum Kochen, Schminken oder Windelwechseln angehalten werden. Dass der »Girls’ Day« und andere staatlichen Kampagnen mit dem Ziel, mehr Mädchen für technische Berufe zu interessieren, bislang wenig erfolgreich sind, überrascht da nicht.
Für Stevie Schmiedel, Mitbegründerin der Initiative »Pinkstinks«, ist die immer stärker werdende Beschränkung von Mädchen auf traditionelle Rollen eine Reaktion auf die Gleichstellung von Männern und Frauen. »Der Trend der Pinkifizierung ist Abbild der Angst vor dieser Veränderung«, sagte sie dem Internetportal diestandard.at. Eine Angst, die sich wirtschaftlich gut nutzen lässt: Barbie hat einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent, durchschnittlich besitzt in Deutschland jedes Mädchen sieben Barbies. Nach eigener Aussage beschäftigt die Herstellerfirma Mattel 30 000 Mitarbeiter und verkauft ihre Produkte in über 150 Länder. »Creating the future of play«, lautet der beängstigende, weil vermutlich zutreffende Slogan des Unternehmens.
Nicht nur die Boulevardmedien begegnen der Kritik an dem Barbie-Haus mit Unverständnis. Philipp Lengsfeld, Kandidat der CDU für den Wahlkreis Berlin-Mitte, erklärte forsch, die »Weltmarke« Barbie sei in Berlin hochwillkommen, schließlich werde das Barbie-Haus »Besucher in Scharen anziehen«. Die »spießige Kleingeistigkeit radikaler Linker« lehne er dagegen ab. Und auch Christoph Rahofer, Chef der für die Umsetzung verantwortlichen Marketing-Firma EMS, findet den Protest »total unnötig«, weil mit dem Haus schließlich keine tiefere Botschaft transportiert werden solle. Spielzeug ohne Botschaft? Dann her mit dem Atomkraftwerk zum Selberbauen, das schon Loriots Familie Hoppenstedt dem Sohn unter den Weihnachtsbaum legte.
Dass Mattel dem »Schwarzbuch Markenfirmen« zufolge in China zu Stundenlöhnen von elf Cent produzieren lässt, stört anscheinend nicht, solange die Bilanz des Berlintourismus stimmt. Für Mattel wird sich das Barbie-Haus auf jeden Fall lohnen. Der Eintritt kostet zwischen zwölf und 15 Euro, wer auf der »Pop Star Stage« singen oder in der »Fashion World« modeln will, zahlt noch einmal zehn Euro extra.
Was ist die Botschaft von Barbie? Einer Studie der University of Sussex aus dem Jahr 2006 zufolge sollen Mädchen, die mit Barbies spielen, mit dem eigenen Körper weniger zufrieden sein als ihre Altersgenossinnen, die das nicht tun. Die Auswirkungen solcher Selbstzweifel sind bekannt. Bei Mädchen und jungen Frauen zählt Anorexie zu den häufigsten Todesursachen.
Dass nicht nur »radikale Linke« einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Normen und deren Vermittlung durch Spielzeug sehen, zeigt ein Blick auf die internationale Berichterstattung über die geplante Barbie-Ausstellung und die Proteste dagegen. In Großbritannien, in Frankreich, in der Türkei, in Schweden und sogar in Neuseeland wurde darüber berichtet. Der konservative britische Daily Telegraph ordnet die Proteste in eine Diskussion über Sexismus ein und weist nicht nur auf die #Aufschrei-Debatte hin, sondern auch auf den Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen, der in Deutschland höher ist als in allen anderen OECD-Ländern. Focus und Bild können dagegen nur »linken Hass« erkennen, wenn problematische Rollenvorbilder kritisiert werden.
Schwarze brauchen Anleitung durch Weiße, Frauen gehen am liebsten einkaufen, und Muslime lauern kriegslüstern auf die nächste Gelegenheit zum Angriff: Für fast alle Stereotype lässt sich eine Vorlage in den Spielwarenläden finden. Auch das dänische Unternehmen Lego ist deshalb kritisiert worden. Die Türkische Kulturgemeinde Österreich hatte das Unternehmen aufgefordert, einen Bausatz aus dem »Star Wars«-Paket zurückzuziehen. »Jabbas Palast« erinnere an die Hagia Sophia in Istanbul, in der Figur des Jabba erkannte sie die Züge eines »Terroristen und Warlords«, der mit orientalistischen Klischees ausgestattet sei. Diese zunächst absurd wirkende Anschuldigung ist nicht allzu weit hergeholt: Jabba raucht Wasserpfeife, benutzt eine Art fliegenden Teppich und wohnt in einem kanonenbesetzten Palast, der einer Moschee inklusive Minaretten ähnelt. Abgesehen davon ist er ein absoluter Unsympath, ein Mörder und Sexist.
Der Vorwurf, dass den »Star Wars«-Filmen Rassismus und Antisemitismus immanent seien, ist nicht neu. Kriegerische Wüstenvölker und verschleierte Frauen finden sich ebenso wie geldgierige Händler mit Phantasieakzent, Hut und Bart. Auswirkungen auf den Verkaufserfolg hatte das bisher nicht. Und obwohl Lego den Bausatz »Jabbas Palast« jetzt zurückgezogen hat, begründete das Unternehmen dies mit internen Entscheidungen. Mit der Kritik der Türkischen Gemeinde habe es nichts zu tun.
Selbst wenn man die Forderung der Türkischen Kulturgemeinde nach einer »Europäischen Spielzeug-Friedenskonferenz der Spielzeug-Hersteller, Staaten, Religionsgemeinschaften und NGOs« nicht unbedingt unterstützen will, selbst wenn man ihre Berufung auf das Zitat »Frieden zu Hause, Frieden in der Welt« des türkischen Staatsgründers und Feldherrn Kemal Atatürk nicht allzu überzeugend findet: Das mit der Figur des Jabba verbundene Bild eines »Orientalen« möchte man nicht allzu gern an Kinder vermittelt sehen, ebenso wenig wie die Vorstellung, Mädchen müssten vor allem gut aussehen und Schwarze hätten Weißen zu folgen. Solange der Markt die Zukunft des Spielens gestaltet, wird sich daran aber nicht viel ändern.