Streit über Kampfdrohen in der CDU

Der Krieg der Zukunft

Nach Kritik aus den eigenen Reihen hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Entscheidung über die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr vertagt.

Die jüngste Aufwallung der Debatte um Kampfdrohnen war ein Lehrstück in Sachen Demokratiemanagement. Denn Neues gab es nicht zu berichten, ist doch seit spätestens vorigem Sommer bekannt, dass Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Anschaffung fliegender Kampfroboter mit Nachdruck anstrebt. Die Bundesregierung antwortete im Januar auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei, dass nach »Einsatzerfahrungen der Bundeswehr« eine »durchhaltefähige bewaffnete Aufklärung (…) als Schutz bei plötzlich auftretenden gravierenden Lageänderungen unbedingt erforderlich« sei. Kampfdrohnen könnten herkömmliche bemannte Kampfflugzeuge zwar nicht ersetzen, seien aber auch nicht »durch die psychischen und physischen Grenzen einer Luftfahrzeugbesatzung eingeschränkt«. Durch sie könnten »gegnerische Kräfte einer ständigen und für sie nicht prognostizierbaren Bedrohung ausgesetzt und in ihrem Handlungsspielraum eingeengt« werden.
Angesichts solcher Argumente hatte de Maizière immer wieder angekündigt, in den kommenden Monaten und noch vor der Bundestagswahl im September die Entscheidung zur Anschaffung von Kampdrohnen verwirklichen zu wollen  – und nur diese Eile war Gegenstand der Kritik, die ihm besonders aus der eigenen Partei entgegenschlug. Der Abgeordnete Karl Lamers (CDU) sah »keinen Zeitdruck« und mahnte gegenüber der Welt an, dass Sorgfalt vor Eile gehen müsse. Ähnlich äußerte sich Ernst-Reinhard Beck, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, und der bei der SPD für diese Aufgabe zuständige Abgeordnete Rainer Arnold prophezeite, die Regierung werde sich nicht trauen, während des Wahlkampfes eine Entscheidung über Kampfdrohnen zu fällen. Er sollte recht behalten, vorige Woche sagte de Maizière der Rheinischen Post: »In dieser Legislaturperiode wird es keine Bitte an den Deutschen Bundestag zur Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen geben.« Der Minister warb allerdings erneut grundsätzlich für die Anschaffung des Waffensystems.

Der Sozialdemokrat Arnold hat sich freilich selbst schon für die Entwicklung europäischer Drohnen ausgesprochen, um damit neben dem militärischen auch einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Waffenexport zu ziehen. Dass die SPD selbst das Thema Drohnen im Wahlkampf prominent thematisiert, ist also nicht zu erwarten, dabei wären damit durchaus Wählerstimmen zu gewinnen. Das zeigten zuletzt die Ostermärsche der Friedensbewegung, die zwar bundesweit nur wenige tausend Menschen mobilisierten konnten, deren Organisatoren aber vermutlich nicht zu Unrecht davon überzeugt sind, nicht nur mit ihrem notorischen Antizionismus und Antiamerikanismus die Gefühlslage vieler Bürger wiederzugeben. Bei den Märschen wurden anklagend Modelle von Drohnen präsentiert, und als zen­trales Projekt der Friedensbewegung wurde die »Drohnen-Kampagne« initiiert, die sich gegen die »Etablierung von Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung« richtet.
Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des Stern gibt es in der Bevölkerung große Vorbehalte gegen die unbemannten Fluggeräte, 61 Prozent der Befragten lehnten eine Anschaffung von Kampfdrohnen ab. Ob es gelingt, Kampfdrohnen im Wahlkampf zu problematisieren, ist angesichts der ähnlichen Positionen von CDU und SPD jedoch fraglich.
Der unmittelbare Anlass für einen schnellen Regierungsbeschluss zum Thema Drohnen ist mittlerweile nicht mehr gegeben: Der Vertrag für die drei im Bundeswehreinsatz befindlichen unbewaffneten Drohnen des Typs Heron I, die von Israel geleast wurden, wäre 2014 ausgelaufen, wurde nun aber bis 2015 verlängert. Diese Entscheidung ist wohl nicht nur wahltaktischen Gründen geschuldet, sondern reflektiert auch die derzeit begrenzten Möglichkeiten zur Beschaffung von Kampfdrohnen.
In der Erklärung der Bundesregierung heißt es: »Aus Sicht der Bundeswehr kommen folgende UAS (Unmanned Aerial Systems, Anm. d. Red.) grundsätzlich als Beschaffungsoptionen in Betracht: Ein zukünftiges Europäisches UAS der MALE (Medium Altitude Long Endurance) Klasse sowie UAS vom Typ Heron 1, Heron TP und Predator B/Reaper.« Die Perspektiven für eine Kampfdrohne aus europäischer Produktion sind derzeit jedoch unklar. Die Entwicklung des »Talarion« genannten Projekts von Cassidian, eines Tochterunternehmens des Rüstungskonzerns EADS, wurde 2012 auf Eis gelegt, nachdem unter anderem die deutsche Regierung die Gelder für das Projekt gestrichen hatte. Wenn überhaupt, dann wäre Talarion wohl erst 2020 verfügbar, und dass es zudem ein französisch-britisches Konkurrenzprojekt namens »Telemos« gibt, dessen Zukunft ebenfalls im Ungewissen liegt, macht die Sache nicht einfacher. Die bisher nur zur Aufklärung dienenden Heron-Drohnen könnten im Rahmen einer Kooperation zwischen dem israelischen Hersteller und Cassidian bewaffnet werden, hätten dann aber nur eine geringe Waffentragfähigkeit. Die attraktivste Möglichkeit dürfte deshalb die amerikanische Reaper-Drohne mit 1,4 Tonnen »Nutzlast«, sprich Bewaffnung, sein. Doch Informationen der Welt zufolge haben die Amerikaner auf die deutsche Anfrage hin noch kein Angebot unterbreitet, zudem stelle die Zulassung für den Probebetrieb im europäischen Luftraum ein Hindernis dar.

An der wachsenden internationalen Debatte um Kampfdrohnen zeigt sich de Maiziére wenig interessiert, er bezeichnete sie als »ethisch neutral« und bestreitet spezifische Probleme und Risiken unbemannter Waffensysteme. Für die von den Grünen organisierte Fachtagung »Drohnen – Drohung oder Zukunftsversprechen?«, die Mitte März in Berlin stattfand, hatte das Verteidigungsministerium kurzfristig die Teilnahme seines Vertreters abgesagt. Der Bild-Zeitung sagte der Verteidigungsminister: »Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge unterscheiden sich in der Wirkung nicht von bemannten. Immer entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen.« Doch die Entwicklung geht in die entgegengesetzte Richtung, fürchten viele Experten, da im Rahmen eines ungebremsten Rüstungswettlaufs der Mensch zum inakzeptabel langsamen und fehlerhaften Entscheider werde. Autonome Waffensysteme, bei denen Computer die Entscheidung über Angriff und also Leben und Tod treffen, wären die Folge.

Wie diese Entwicklung etwa durch ein internationales Rüstungsbegrenzungsabkommen ein­gedämmt werden kann, wird Gegenstand der »NGO Conference on Killer Robots« sein, die am 22. April in London stattfinden soll. Einen Überblick zu den Argumenten in der Drohnendebatte bietet eine derzeit laufende Artikelserie des Sicherheitspolitik-Blogs. In deren Rahmen wurde auch auf die »Überkomplexität« des Themas hingewiesen, das etwa eine Beschäftigung mit technischen Aspekten erfordert, die außerhalb von Fachkreisen schwierig ist. Doch nur durch die präzise Formulierung von mit Kampfrobotern verbundenen Risiken können entsprechende Einsatz- und Entwicklungsschranken möglicherweise durchgesetzt werden. Bauchgefühl und pauschale Ablehnung sind dagegen wenig erfolgversprechend, die technologische Entwicklung und die Aufrüstung durch de Maizière und dessen Kollegen wenigstens einzuhegen.