Dynamisch wie Dynamit

Nachdem ich als erstes Objekt meines neuen Hobbys, des Berufesammelns, Rentner beobachtet und als aussterbend klassifiziert habe, widme ich mich diesmal einem relativ neuen Berufsbild, das in der jetzigen Form erst seit circa 30 Jahren existiert: dem Kind.
Früher, also noch zu meiner Zeit, war das Kindsein keine große Sache. Man war halt Kind und fertig. Oder, um einen Song der Band Zuckerklub zu zitieren: »Als ich ein Kind war, gab es Cola und Nutella, wir wurden davon nicht fett, wir wurden davon schneller.« Heute aber ist daraus eine überaus anstrengende Tätigkeit geworden, die sogar, wenn auch nicht besonders üppig, entlohnt wird. Schaut man sich die vielen Aufgaben, die dieser Beruf mit sich bringt, einmal genauer an, muss man sagen, dass das »Kindergeld«, welches nur durch freiwillige Zuzahlungen in Form von »Taschengeld« aufgestockt werden kann, einem Hungerlohn gleicht. Schließlich tragen die armen Kleinen für einen enormen Teil der Wirtschaft die Verantwortung. Sie sind es, die Heerscharen von Erziehern, Lehrern, Psychologen und Museumspädagogen ernähren, die Sprachschulen, Turn- und Ballettgruppen, Spaßbäder, Pizzerien und Eisdielen am Laufen halten. Dazu kommen die Textilindustrie, die Spielwarenhersteller, Buchhändler und Süßwarenproduzenten.
Wenn das mal alles wäre! Aber nein, zum kaum zu bewältigenden Arbeitspensum gehören noch soziale Aufgaben. Kinder müssen unbedingt niedlich sein, sich küssen, schaukeln und streicheln lassen. Sie müssen lustige Wortschöpfungen kreieren, hüpfen und rennen und abends regelmäßig hysterische Anfälle simulieren, anstatt sich einfach mit Chips und Bier vor die Glotze hauen zu können. Mach das mal jeden Tag!
Da bleibt es nicht aus, dass es kaum jemanden gibt, der sich freiwillig für diesen Knochenjob entscheidet, annähernd 100 Prozent werden nicht einmal gefragt, sondern zwangsverpflichtet. Kein Wunder, dass viele, die diesen Beruf ausüben, sehr schnell unter extremen Burn-out-Symptomen leiden. Ihnen fallen die Zähne aus, sie verletzen sich regelmäßig selbst, haben Durchschlafprobleme und nässen ein oder leiden unter Wahnvorstellungen, in denen sie von Monstern, bösen Zauberern oder Drachen entführt und gefressen werden.
Das wirklich Furchtbare an diesem Beruf aber ist: Kaum hat man nach zehn, zwölf Jahren halbwegs eine gewisse Routine entwickelt, sich sogar hochgearbeitet und gewisse Freiheiten erkämpft, wird man durch den Einsatz biologischer Kampfmittel, sogenannter Hormone, zur Umschulung gezwungen. Ob man will oder nicht, man muss fortan als Teenager jobben.
Nein, Kind ist wirklich keine Tätigkeit, die ich empfehlen kann, sie bekommt einen traurigen Ehrenplatz in meiner ansonsten heiteren Berufesammlung.