Hamburger Witz

Wenn Corny Littmann in den Spiegel schaut, sieht er einen Mann, der es aus dem queeren, linken Umfeld St. Paulis in den späten Siebzigern ganz nach oben geschafft hat: Ein einst maroder Fußballkiezclub steht dank des von ihm initiierten Merchandising – das eine ekelhafte Plörre namens »kalte Muschi« mit Vereinslogo einschließt – und der Unterstützung aus Bayern München inzwischen solide da. Zwischen den neugebauten Tanzenden Türmen und der Davidstraße trägt die Reeperbahn in Hamburg seine Handschrift: Schmidts Tivoli, Schmidts Theater und natürlich der geleckte Spielbudenplatz sind alles seine Babys. Ja, man kann sagen, er hat sich eingesetzt für die Kultur im Kiez. Dass diese Kultur eher dem »Quatsch Comedy«- als einem Indie-Club entspricht – geschenkt. Die unsinnigen Vattenfall-Bühnen auf dem Spielbudenplatz findet er mittlerweile auch nicht so gut. Aber die Touristenmengen und die guten Umsätze geben ihm Recht. Er ist für den Kiez, was Uli Hoeneß für den FCB ist: ein zutiefst unterschätzter Macher, dem alle immer nur ans Bein pinkeln wollen, obwohl er den Erfolg liefert.
Anscheinend schaute sich Littmann nicht nur die Managerqualitäten des Würstchenkönigs aus München ab, sondern auch seine seltsame Reaktion auf Kritik. Als Antwort darauf, dass das Plenum der besetzten »Roten Flora« ihn als »Gentrifizierer« nicht mehr bei einer Lesung dabeihaben wollte, griff er direkt zur Nazikeule. »Einen Künstler mundtot zu machen, ihm Auftrittsverbot zu erteilen, das ist keine Lappalie! Das ist heute noch gängige Praxis in Diktaturen und das war ein Herrschaftsinstrument der Nazis«, beschwerte er sich. Dabei wollte das Plenum des autonomen Kulturzentrums ihn doch nur ausladen, weil er so viel getan hat für die Touristen auf dem Kiez und für die Bayerische Hausbau GmbH, die in seinen Büros mit den Einwohnern der vom Abriss bedrohten Esso-Häuser verhandeln durfte und den Dialog schließlich abbrach. Mit seiner Kunst hatte das also nichts zu tun. Littmann wollte im Zuge der Reihe »Lesen ohne Atomstrom«, einer Gegenveranstaltung zu Vattenfalls Lesetagen, eigentlich die alten Lieder seines ehemaligen Buddys Rio Reiser, einschließlich »Das ist unser Haus – ihr kriegt uns hier nicht raus«, in der Flora trällern. Das wäre mit Blick auf Littmanns Erfolge keine Kunst, eher ein schlechter Witz, und den führt man in Hamburg besser in Schmidts Tivoli auf.