Religion für Atheisten

Berlin Beatet Bestes. Folge 189. Jim Jam Gems 2: This ain’t hot compared to Hell (2013).

Beverungen Beatet Bestes, denn da kommt diese Platte her. Aber wo zum Teufel liegt Beverungen? In Nordrhein-Westfalen, an der Grenze zu Niedersachsen, irgendwo zwischen Paderborn und Göttingen. Ziemlich genau in der Mitte Deutschlands also und sehr weit entfernt vom Ursprung der Musik, die in der Sampler-Reihe »Jim Jam Gems« vorstellt wird. Stag-O-Lee, ein Unterlabel von Glitterhouse, hat sich auf die Veröffentlichung von diversen, neuen und alten US-Rock’n’Roll-Formen spezialisiert. Glitterhouse entwickelte sich in seiner 30jährigen Geschichte von modernem Garage-Punk über frühen Grunge in den späten Achtzigern und Noise-Rock in den Neunzigern hin zu einem Schwerpunkt in Folk und Singer-Songwriter-Sound. Mit den in kleinen Auflagen erschienenen Vinyl-Veröffentlichungen bei Stag-O-Lee kam das Label dann zurück zu seinen Wurzeln und hat gleichzeitig den Anschluss an coole Jazz-/Soul-/Rhythm & Blues-Spezialisten wie das englische Jazzman-Label geschafft.
Thematisch beschäftigen sich die beiden vom Stuttgarter DJ Duke JensOmatic zusammengestellten 10"-Compilations mit Jugendkriminalität und Religion. Besonders empfehlen möchte ich den zweiten Teil, weil sich auf ihm unter anderem La Vern Bakers »Revival Day« befindet. Dieser großartige Gospelsong wurde ursprünglich 1930 von Bessie Smith in New York aufgenommen. Am Piano begleitet wurde sie dabei von James P. Johnson, einem der Erfinder des Boogie Woogie. Die Kombination der mächtigen Blues-Stimme von Bessie Smith mit James P. Johnsons lässigem, fröhlichem Pianospiel hat zu Aufnahmen geführt, die trotz aller Blueshaftigkeit einfach swingen. La Vern Baker hat 1958 auf ihrem Bessie-Smith-Tribute-Album diese Songs dann Rhythm & Blues-mäßig modernisiert, wobei die Songs dieses swingende Element behielten. La Vern Bakers Version wird deshalb von Lindy-Hop-DJs auch heute noch gern gespielt. Gleich anschließend ist auf der ersten Seite der Platte Otto Bash mit seiner Aufnahme des traditionellen Lieds »St. James Infirmary« aus dem Jahr 1956 zu hören. Dieser zuerst 1929 von Louis Armstrong und seinen Savoy Ballroom Five aufgenommene Song wurde zum Jazzstandard. In der modernen Rock’n’Roll-Aufnahme aus den fünfziger Jahren hat Otto Bash ebenfalls das Jazzmäßige erhalten. Auch seine Version ist heute bei Swingtänzern beliebt.
Während das Golden Gate Quartett mit »Shadrack« und Mahalia Jackson mit »I’m on my Way to Canaan« mit traditionellen Gospelsongs vertreten sind, befinden sich auch Titel auf dem Sampler, die das religiöse Thema nicht ganz so erst nehmen. Die Zusammenstellung ist jedenfalls durchweg gelungen und bietet einen schönen Einstieg in die rockende religiöse Musik. Religion finden Leser der Jungle World sicher scheiße. Diese heitere, von Religion inspirierte Musik können sich allerdings auch hart gesottene Atheisten bedenkenlos anhören.