»Streikt mal schön«

Im November fällte das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Urteil, das Beschäftigten kirchlicher Betriebe theoretisch ermöglicht zu streiken, praktisch jedoch weiterhin Streiks in diesen Betrieben verhindert. Nun hat Verdi Klage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht. Jan Jurczyk, Sprecher der Gewerkschaft, hat mit der Jungle World gesprochen.

Was veranlasst Verdi zu der Klage vor dem BVerfG?
Entscheidend ist, dass das BAG das Selbstordnungsrecht der Kirchen höher bewertet hat als die Koalitionsfreiheit und daraus abgeleitet das Streikrecht aus Artikel 9, Absatz 3, des Grundgesetzes. Dieser Artikel schreibt ein unmittelbar wirkendes Grundrecht fest, das nicht eingeschränkt werden darf. Das Selbstordnungsrecht der Kirchen müsste sich diesem Artikel unterordnen.
Verdi hat die Klage vor dem BAG formal gesehen gewonnen. Besteht die Gefahr, dass das BVerfG die neue Klage deshalb einfach ablehnt?
Die Gefahr besteht. Aber wir haben darauf hingewiesen, dass das BAG im Arbeitskampfrecht wie ein Ersatzgesetzgeber fungiert. Es gibt keine gesetzlich kodifizierten Regeln zum Arbeitskampf. Stattdessen gibt es Richterrecht in Form von Urteilen. Diese Urteile müssen verfassungsrechtlich überprüfbar sein, das gilt auch für diese Entscheidung des BAG. Und dazu muss sich auch das BVerfG verhalten.
Unternimmt Verdi im Kampf für das Streikrecht auch praktische Schritte in den kirchlichen Betrieben?
Die Organisationsarbeit vor Ort, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen noch unter der Schwelle der Arbeitskämpfe ist die Alltagsarbeit, die ständig in den Einrichtungen geleistet wird, in denen die Bedingungen besonders problematisch sind.
Wie steht es um die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Einrichtungen?
Es gibt gravierende Unterschiede. Es gibt vorbildliche Betriebe, da stimmt das Klima und die Leute werden anständig bezahlt. Es gibt aber auch welche, in denen sich Bedingungen und Bezahlung so stark vom Durchschnitt unterscheiden, dass sich Leute gewerkschaftlich organisieren.
Wie stark sind die Mitarbeiter in Kirchenbetrieben organisiert?
Das ist ganz unterschiedlich. Richtig ist: Dort, wo die Verhältnisse schlecht sind, sind mehr Leute organisiert. Und gestreikt wird nicht, weil Verdi sagt: Streikt mal schön. Sondern weil die Verhältnisse so sind, dass die Beschäftigten für bessere Bedingungen und mehr Lohn kämpfen müssen. Dabei unterstützen wir sie.