Antifeministen bei der Piratenpartei

Der Mob der Maskulisten

Wenn es um frauenpolitische Themen geht, wird die Piratenpartei zum Männerbund. Feministinnen und Feministen sind in der Partei heftigen Angriffen ausgesetzt.

Wo immer die Wähler der Piratenpartei am vorvergangenen Wochenende steckten, auf den Demonstrationen gegen die Bestandsdatenauskunft waren sie nicht. Den in etlichen Städten stattfindenden Protesten gegen die staatliche Überwachung von Internet-Usern mangelte es fast überall an Teilnehmern. In Berlin kündigte die Polizei den Veranstaltern sogar an, dass die Demonstranten auf dem Bürgersteig statt auf der Straße laufen müssten, wenn nicht noch nennenswert mehr Menschen kämen. Noch vor einem Jahr wäre dies vermutlich nicht passiert. Im März 2012 waren die Piraten mit mehr als sieben Prozent der Wählerstimmen in den saarländischen Landtag eingezogen, in den folgenden Monaten wurden ihnen in den Umfragen zur Bundestagswahl regelmäßig zwischen acht und zehn Prozent prognostiziert. Ab Oktober ließ das Wählerinteresse an der Partei deutlich nach. Mittlerweile rangiert sie in Umfragen schon seit Monaten zuverlässig unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Mit »Popcornpiraten« existiert bereits seit August 2012 ein Blog, in dem die jeweils neuesten Fehlschläge der Partei veröffentlicht werden. Fast täglich postet der Macher Caspar Clemens Mierau alle Entgleisungen, Idiotien und Nazisprüche von Mitgliedern der Piratenpartei, nur selten befindet sich etwas darunter, das in die Kategorie »halb so wild« fallen könnte. In den vergangenen Tagen wurde auf dem Blog unter anderem eine Aussage von Mario Tants, dem Vorsitzenden des Kreisverbands Bremerhaven, veröffentlicht, der die Vorratsdatenspeicherung mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis verglichen und später unter dem Titel »Der unreflektierte Reflex und das Schwingen der Nazikeule« eine Rechtfertigung geschrieben hatte, in der er seine Kritiker angreift. Kurz darauf outete Mierau das vermutlich erste Parteimitglied, das zusätzlich in die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) eingetreten war. Verwunderlich war das nicht, denn Sebastian Höcht gehört der AG Geldsystem der Piraten an, in der vorzugsweise Verschwörungstheorien sogenannter Zinskritiker verbreitet werden. Leser des Blogs können nicht wirklich überrascht gewesen sein von der Doppelmitgliedschaft des Mannes, der den Euro immer für den »Tod Europas« hielt.
Auf »Popcornpiraten« wurde auch ein Thema erwähnt, das sich zunächst auch für die auf Shitstorms spezialisierte Partei nicht wie ein besonderer Aufreger anhört. Dass weibliche Mitglieder sich vernetzen, ist mittlerweile selbst in konservativen Parteien nicht außergewöhnlich. Die Konferenz »PiratinnenKon«, die Anfang April stattgefunden hat, sorgt jedoch noch immer für Ärger, bis heute werden die Organisatorinnen und ihre männlichen Unterstützer unter dem entsprechenden Hashtag bei Twitter angegriffen und auf Webseiten als »Krampfzicken« und »Fotzenknechte« beschimpft.
Die Idee für die zweitägige Konferenz in Berlin entstand, nachdem der Parteivorsitzende Bernd Schlömer in einem Interview zum Thema Frauenquote gesagt hatte: »Wir müssen Frauen fördern und fordern. Nicht nur fördern.« Eine Gruppe Frauen fühlte sich nicht angemessen angesprochen. »Wir boten dem Bundesvorstand auf humorvolle Weise einen ›Nachhilfe-Workshop‹ zum Thema Diskriminierung und Sexismus an«, sagt Ursula Bub-Hielscher, eine der Initiatorinnen der Konferenz, der Jungle World. »Ziel war es, unsere unterschiedlichen Haltungen und Erfahrungen zum Gender-Thema auf den Tisch zu bringen, sie in einer konstruktiven Atmosphäre zu untersuchen und für mehr gegenseitiges Verständnis zu sorgen. Warum erzeugt das Frauenthema so starke Emotionen, was bedeutet Feminismus, was heißt Postgender, was Queer?« Zusätzlich sollten mehr Frauen darin bestärkt werden, für Ämter und Parlamente zu kandidieren.

Die »PiratinnenKon« war kaum beschlossen, da formierte sich auch schon Widerstand. Teile der Partei beharrten darauf, dass man nicht nur postpolitisch, sondern auch postgender und die vom Bundesvorstand beschlossene Finanzierung der Konferenz entsprechend illegal sei. »Der Frauenhass einer ganzen Gruppe von Piraten hat mich erschüttert. Ich hätte das im Jahre 2013 nicht mehr für möglich gehalten«, sagte Bub-Hielscher. Anke Domscheit-Berg, Mitorganisatorin der Kon­ferenz, berichtet, sie habe »Gegenreaktionen erwartet, denn dass es Piraten und Nichtpiraten mit frauenfeindlichen Einstellungen gibt, ist ja nicht neu. Mich hat allerdings die Heftigkeit etwas überrascht. Mit dieser Intensität von Aggression und Widerstand habe ich nicht gerechnet.«
Während die Männer und Frauen auf der Veranstaltung konstruktiv arbeiteten, tobte auf Twitter ein regelrechter Mob, der am Ende des ersten Konferenztags den ersehnten Skandal bekam. Ausgerechnet einer der Piraten, die vorher am heftigsten gegen die Veranstaltung agitiert hatten, hatte seine Ankündigungen wahrgemacht und war zur »PiratinnenKon« gefahren. Der Besuch endete damit, dass er Hausverbot erhielt und schließlich von der herbeigerufenen Polizei aus dem Gebäude hinausbegleitet wurde, nachdem er sich geweigert hatte zu gehen. Ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit sei dies, empörte man sich in den einschlägigen Social Media und begann umgehend damit, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen persönlich anzugreifen. Dies erklärt Domscheit-Berg so: »Manche haben offenbar ein anderes Bild von der Piratenpartei, als es sich im Wertekodex der Partei widerspiegelt, und benehmen sich dann so, als würde ihnen jemand etwas wegnehmen oder kaputtmachen. Dabei haben sie sich einfach in der Partei geirrt. Die Piratenpartei ist gegen Diskriminierung und Sexismus, das kann man vielfach nachlesen. Wer nur wegen des hohen Männeranteils erwartet hat, dass die Piraten ein Männerbund sind, der Frauen benachteiligen und ausgrenzen will, der stellt vielleicht jetzt langsam fest, dass das eine Fehleinschätzung war. Die Hoffnungen solcher Menschen brechen gerade zusammen, das erklärt vielleicht die bösartigen Reaktionen.« Bub-Hielscher hat die meisten Hetzer mittlerweile geblockt, so dass sie deren Attacken gar nicht mehr mitbekommt. »Mein Eindruck ist schon, dass es sich um eine kleine, aber skrupellose Gruppe handelt, die sich gegen Piratinnen mit einer klaren linken oder klaren frauenpolitischen Position richtet. Sie führen sich auf, als würden sie von uns aus ihrem vermeintlichen Paradies vertrieben werden.«

Auch wenn die Veranstalterinnen der »PiratinnenKon« sich vom Mob der Maskulisten nicht unterkriegen lassen wollen und eine weitere Veranstaltung nicht ausschließen: Die Dauerangriffe haben bereits dazu geführt, dass einige linke Mitglieder aus der Partei ausgetreten sind. Enno Park, ehemals im Vorstand der Piratenpartei, begründete seinen Austritt in einem Blogpost damit, dass Vorstände »völlig ohne persönliche Konsequenzen mit Wörtern wie ›Schreihenne‹, ›Feminazi‹ oder ›Fotzenknecht‹« um sich würfen. Auch habe »die Konferenz ›PiratinnenKon‹ einen ganzen Schwall frauenfeindlicher Reaktionen der widerwärtigsten Sorte hervorgerufen«. Parks Fazit: »Feministen werden in der Piratenpartei wesentlich leidenschaftlicher bekämpft als Nazis.«