Die Sharjah Biennale in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Documenta plus Sonne und Zensur

Bis zum 13. Mai findet in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Sharjah Biennale statt.

Die Kündigung erfolgte per Telefon. Der langjährige Direktor der Sharjah Biennale, Jack Persekian, wurde während der vergangenen Biennale im Jahr 2011 auf persönliche Anweisung des Herrschers von Sharjah, Sheikh Sultan bin Mohammed al-Qasimi III, ohne Begründung entlassen. Anlass war vermutlich die Installation »Maportaliche/It Has No Importance« des algerischen Künstlers Mustapha Benfodil, die von Besuchern der Biennale als blasphemisch empfunden worden war. Die Arbeit war umgehend entfernt worden, die Zukunft der in der gleichnamigen Hauptstadt des Emirats Sharjah stattfindenden Biennale, der größten und ehrgeizigsten Kunstausstellung der arabischen Welt, schien auf einmal ungewiss.
Der Vorfall verdeutlicht, dass die Meinungs- und Kunstfreiheit in den Vereinigten Arabischen Emiraten äußerst begrenzt ist. Verhaftungen von Bloggern und Dissidenten, Behinderung der Arbeit von NGOs, umfassende Zensur der Medien: Wenn man aktuelle Berichte von Human Rights Watch und Amnesty International zur Situation in den Vereinigten Arabischen Emiraten liest, kommt man nicht auf die Idee, dass die Bedingungen für kritische Gegenwartskunst dort günstig sind. Ist ein freies und unabhängiges künstlerisches Arbeiten in den autoritär regierten, konservativen Emiraten überhaupt möglich? Oder ist eine große Kunstausstellung wie die bis zum 13. Mai unter der neuen Kuratorin Yuko Hasegawa stattfindende Sharjah Biennale reines Marketing, um Menschenrechtsprobleme zu überspielen und zahlungskräftige Kulturtouristen anzuziehen?
Die Veranstaltung ist, wie die Kündigung von Jack Persekian abermals gezeigt hat, immer eine Gratwanderung zwischen den Belangen der Kunst und den Vorgaben der Politik. Yuko Hasegawa, Chefkuratorin des Museum of Contemporary Art Tokyo, ist eine Meisterin darin. 100 Künstler und Künstlerinnen nehmen an der Biennale teil – israelische Künstler befinden sich nicht darunter, ihnen würde nicht einmal die Einreise in die Emirate gestattet. Über 40 Arbeiten wurden eigens für die Schau gefertigt. Darunter befinden sich zahlreiche Werke, die sich kritisch mit religiösen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den arabischen Gesellschaften auseinandersetzen. So wird beispielsweise das Thema Frauenrechte aufgegriffen. In der Videoarbeit »Saudi Automobile« wendet sich die saudische Künstlerin Sarah Abu Abdallah gegen das Fahrverbot für Frauen in ihrem Land, indem sie ein offensichtlich fahruntüchtiges Autowrack rosa bemalt und sichtbar wütend auf dem Rücksitz Platz nimmt. Es ist der Platz, den die saudische Gesellschaft der Frau zuweist. Ebenfalls zum Thema Frauenrechte äußert sich der ägyptische Künstler Magdi Mostafa. In der Installation »sound cells: FRIDAYS« kritisiert er das in einer Freitagspredigt einer Moschee in Kairo propagierte Geschlechterverständnis, wonach Frauen lediglich leere »Gefäße für die Fortpflanzung« seien, indem er die aus Lautsprechern näselnde Stimme des Predigers mit dem Betriebsgeräusch älterer Waschmaschinenmodelle mischt, die er leer rotieren lässt. Der saudische Künstler Ahmed Mater dokumentiert in seiner Fotoserie »Desert of Pharan/Room With a View« die Schattenseiten des Baubooms in den Staaten der Arabischen Halbinsel. Am Beispiel von Mekka zeigt er, wie globale Hotelkonzerne wie das Hilton bestehende Stadtstrukturen zerstören. Hotels, die Zimmer mit Blick auf die Kaaba für 3 000 Dollar pro Nacht anbieten, machen den öffentlichen Raum zu einem Luxusgut. An einem scheinbar für alle muslimischen Gläubigen zugänglichen Ort spielt sich das Spektakel ökonomischer Spekulation ab. Migration ist ein weiteres sensibles Thema in der Region am Persischen Golf. Immer wieder machen die Golfstaaten Schlagzeilen, wenn es um die Rechte von Arbeitsmigranten geht, die drei Viertel der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Ungeregelte Arbeitszeiten bei bis zu 40 Grad, das Abnehmen der Pässe durch Arbeitgeber, Misshandlungen von Hausangestellten durch Hausherren, die strikte Ablehnung der Genehmigung einer Staatsbürgerschaft für Arbeitsmigranten – das sind nur einige der Missstände, die Menschenrechtler an modernen Sklavenhandel erinnern.
Obwohl die sozial und rechtlich prekäre Situation der Arbeitsmigranten ein Tabu für die Presse bleibt, gelingt es dem thailändischen Künstler Apichatpong Weerasethakul, der bereits für seine Documenta-Arbeit 2012 viel Anerkennung erfuhr, sie zum Thema zu machen. Sein Film porträtiert die Arbeitsmigranten beim Bau des Ausstellungsgebäudes. Der Künstler gibt mit seiner Videoinstalltion denjenigen ein Gesicht, die am Zustandekommen der Biennale und deren architektonischer Superlative entscheidend mitgewirkt haben.
Die Schau richtet sich nicht nur an die internationale Kunstszene, sondern ebenso an die Bevölkerung. Die Sharjah Art Foundation lockt das örtliche Publikum mit freiem Eintritt in die Ausstellungen und informiert ausgiebig über Veranstaltungen, Führungen und museumspädagogische Angebote.
Sharjah wurde kürzlich zur Hauptstadt islamischer Kultur 2014 erkoren und versucht nicht ohne Erfolg, sich als Standort für Kunst und Kultur zu empfehlen. Da die Biennale das Ziel hat, Kunstproduzenten und -konsumenten aus den Regionen des Mittleren Ostens, Nordafrikas und Südasiens zusammenzuführen, werden vor allem auch Kulturtouristen aus der Region erwartet. Die Koordination innerhalb der Region beitreibt vor allem die Präsidentin der Sharjah Art Foundation, Sheikha Hoor al-Qasimi, eine Tochter des Herrschers von Sharjah, die in London studiert hat. Sie betont stets, dass ihr die gesellschaftskritischen Akzente der Ausstellung wichtig seien, ein Anliegen, das, wie sie behauptet, von der Documenta inspiriert sei. Zum einen lockt die Biennale ein zahlungskräftiges internationales Publikum in das Emirat, zum anderen fungiert sie als Ort für regionale Debatten. Kritik muss allerdings ungleich versteckter geäußert werden, damit Kunstwerke nicht wegen religiöser und politischer Aussagen zensiert und entfernt werden.