Mein Haus, mein Auto, meine Handschellen

Wenn Menschen, die wenig Toleranz für Ladendiebe und Schummeleien von Hartz-IV-Empfängern, aufbringen, auf einmal den verständnisvollen Gutmenschen in sich entdecken, kann es nur um ein Delikt gehen: um Steuerbetrug. »Der Aufschrei der Empörten, der jetzt durchs Land hallt, hat jegliches Maß verloren«, schreibt Rainer Hank in der Faz. Dies diene »der Hatz auf die Reichen insgesamt«. Gideon Böss fragt im Welt-Blog: »Ist womöglich das Steuersystem nicht so gerecht, wie es sein sollte?« Er vermisst im Umgang mit Steuerhinterziehern das Verständnis, das Jihadisten angeblich entgegengebracht wird. »Es wäre doch nett, wenn man über sie nicht voreingenommener berichten würde als über irgendwelche Terroristen.«
Die Hoeneß-Versteher werden es nicht gerne hören, doch sie hatten in Ussama bin Laden einen Verbündeten. Er bedauerte die Amerikaner, die unter der Last »wahnsinniger Steuern« leben müssen, und verkündete die frohe Botschaft: »Es gibt keine Steuern im Islam, sondern die begrenzte Zakat von nur 2,5 Prozent.« Almosen statt Besteuerung – darauf ist nicht nur Peter Sloterdijk gekommen. Es gibt sogar einen Märtyrer der Steuerverweigerer: Joe Stack, der sich 2010 mit seinem Privatflugzeug in ein Gebäude der US-Steuerbehörde stürzte und einen Angestellten tötete. »Sie stehlen von der Mittelklasse«, hatte Stack, der kein Islamist war, sondern aus dem rechtslibertären Milieu stammte, in einem Manifest beklagt. Man muss in den Steuerverweigerern von heute nicht die Attentäter am Steuerknüppel von morgen sehen, die meisten würden ihr Privatflugzeug eher für die Flucht nutzen. Es wäre wohl auch bössartig zu vermuten, dass die Hoeneß-Versteher selbst beim Ankauf jeder neuen Steuer-CD zittern. Einen Vorwurf aber kann man jenen, die Steuervermeidung für eine völlig harmlose Sache halten, die nur von einigen Extremisten missbraucht wird, nicht ersparen. Hier beklagen sich nämlich die Neidbeißer unter den Reichen und Wohlhabenden, die dunkel ahnen, dass sie ihr Vermögen nicht wirklich ihrer Leistung, sondern dem Glück, der Anpassungsfähigkeit und guten Freunden verdanken. Eben deshalb müssen sie darauf bestehen, dass sie alles, was sie verdienen, auch verdienen, und halten Steuerdebatten für eine Verschwörung, mit der man sie um ihr Geld bringen will. Sollten wir da nicht lieber auf Menschen hören, die es wirklich zu etwas gebracht haben? Der US-Milliardär Warren Buffett etwa meint, dass »Leute wie ich viel mehr Steuern zahlen sollten«. Wenn der Staat ihm ein paar Milliarden abknöpft, verdient er sich eben wieder ein paar dazu. Ein solches Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit sucht man bei den Hoeneß-Verstehern vergeblich.