Rauschwerkzeug

Das »Tool-Kit« – wie Stefan Goldmann »The Ghost Hemiola« selber nennt – besteht aus zwei 12-inch-Platten, in die jeweils 66 Leerrillen gepresst wurden. Simultan abgespielt, können die geschlossenen Rillen dabei so gemixt werden, dass sie einen Beat mit den rhythmischen Akzentverschiebungen einer Hemiole ergeben, zwei Takte also zu einem großen Dreiertakt zusammengefasst werden. Goldmann liefert damit eine konzeptionelle Zuspitzung seiner vorangegangenen Veröffentlichung »The Grand Hemiola«, auf der er elektroakustischen Stücken solche »Locked Grooves« zur Seite gestellt hatte. Auf »The Ghost Hemiola« sind nun also lediglich Rauschen, Knacken und Knistern den Loops eingeschrieben.
Goldmann ist nicht der Einzige, der sich in letzter Zeit mit der Vermischung von Avant-Techno, Noise und künstlerischer Erforschung des Mediums beschäftigt hat. Die Britin Nik Colk Void beispielsweise ließ ihre Platte »Gold E« aus Materialien herstellen, die sich abnutzen und dadurch im Laufe der Zeit andere Sounds erzeugen; Carl Schilde verwendete auf »Wow« einen Sinus-Basston, der die Wackler und Ungenauigkeiten der Wiedergabeapparaturen des Plattenspielers zum Musizieren nutzt. Im Unterschied dazu spielt sich bei »The Ghost Hemiola« die Komposition in der Leerrille ab, und Goldmann ermuntert dazu, selbst Geräusche in das Vinyl zu schneiden. Es ist wie bei Afrika Bambaataas »Looking for the Perfect Beat« – nur halt mit Messer in der Hand und auf der Suche nach dem Groove der Artefakte.

Stefan Goldmann: The Ghost Hemiola. Macro Records (Word and Sound)