Über den Nationalismus von »Alternative für Deutschland«

Die Konkurrenz wird abgewertet

Die »Alternative für Deutschland« sorgt für nationalistische Aufbruchstimmung. Das versetzt die rechte Konkurrenz in Aufregung.

»Wenn reale Auf- und Abwertungen nicht möglich sind, dann muss man die einheitliche Währung aufgeben.« Das schrieb Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Linksfraktion im saarländischen Landtag, vergangene Woche auf seiner Homepage. Die Aufregung war deshalb groß in der Linkspartei. Denn »Weg mit dem Euro« ist auch die Parole der »Alternative für Deutschland« (AfD). Noch dazu fand Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, anerkennende Worte für die AfD. Es gebe zwischen der Linkspartei und ihr »viele Überschneidungen«, in vielen Punkten habe die AfD mit ihrer Kritik an der Euro-Rettung Recht. Führende Mitglieder der »Linken« wie Katja Kipping und Bernd Riexinger widersprachen heftig.

Wie verhält man sich zu der neuen Partei? Die Frage stellt sich auch die NPD. So viel Beachtung wie kürzlich fand sie mit so wenig Aufwand jedenfalls lange nicht mehr. Gerade einmal acht NPD-Anhänger waren erschienen, um am Gründungsparteitag der AfD in Berlin ein Transparent hochzuhalten. »Wir arbeiten – Brüssel kassiert« war darauf zu lesen. In fast allen Zeitungen wurde der NPD-Auftritt zumindest am Rande erwähnt.
Der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke hatte die kleine Kundgebung angemeldet. Er selbst erschien nicht zu der Veranstaltung. Dafür durfte die 23jährige Maria Fank an das Mikrophon. Sie ist die Berliner Vorsitzende des Rings Nationaler Frauen und sitzt auch im Bundesvorstand der NPD-Frauenorganisation.
Zum großen Redner vor dem Hotel Intercontinental, in dem die AfD tagte, schwang sich Andreas Storr auf, ein ehemals in Berlin lebender Parteifunktionär, der derzeit für die NPD im Landtag in Sachsen sitzt. Er forderte, es müssten nicht nur der Euro, sondern auch andere Tabus vom Tisch gefegt werden. Diesen Mut hätte die AfD aber nicht. Und so schmücken viele NPD-Funktionäre ihre Aussagen mittlerweile mit Floskeln wie »einzig wahre Alternative« oder »es gibt nur eine Alternative«.
Das Kleinstspektakel vor dem Hotel in Berlin-Charlottenburg wäre nur von lokalem Interesse gewesen, hätte nicht die FAZ vier Tage später einen Artikel mit der Überschrift »NPD will Anti-Euro-Partei für Deutschland unterwandern« veröffentlicht. In diesem Bericht wird der NPD-Politiker Uwe Meenen mit den Worten zitiert, es gebe den »Versuch einer geplanten Unterwanderung der neugegründeten Partei«. Der erfolglose ehemalige Berliner Landesvorsitzende, der nun stellvertretender Landesvorsitzender ist und beim NPD-Bundesparteitag am 20. April mit 37 zu 122 Stimmen gegen Holger Apfel bei der Wahl zum Bundesvorsitzenden scheiterte, sagte dem Artikel zufolge weiter, falls sich die Möglichkeit ergebe, für Führungspositionen der AfD zu kandidieren, »sollte diese Gelegenheit beim Schopf ergriffen werden«. Er habe zwei Dutzend »bekannte Gesichter gesehen«, »aktive Kader« der NPD und »radikale, parteifreie Kräfte«. Diese könnten nicht von der Parteiführung der AfD identifiziert werden, da sie »aus Furcht vor beruflichen Nachteilen bisher nicht Mitglied der NPD waren«.

Meenen hatte sich mit Udo Voigts Getreuem, Hans-Ulrich Pieper, als Pressebeobachter beim Gründungsparteitag der AfD akkreditieren lassen. Pieper sollte schon im jüngsten Berliner Landtagswahlkampf bürgerliche Kreise als Wähler für die NPD ansprechen. Seit fast 20 Jahren richtet er in gutbürgerlichen Wohngegenden »Dienstagsgespräche« aus, bei denen er versucht, die verschiedenen Fraktionen der extremen Rechten an einen Tisch zu holen. Dies gelang ihm in den neunziger Jahren. Im bürgerlichen Ambiente der »geschlossenen Veranstaltung« verschwammen die Unterschiede zwischen Autoren der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit und offenen Neonazis. Aber auch Angehörige der rechten Ränder von CDU, FDP und SPD fanden sich in der elitären Runde als Referenten oder Besucher ein. Piepers letzter großer Coup liegt schon einige Jahre zurück. Vor der Bundestagswahl 2009 richtete er eine »Elefantenrunde« der extremen Rechten aus. Danach verlor er auf politischen Druck hin seinen Veranstaltungsort, den Ratskeller Schmargendorf in Berlin-Wilmersdorf. Das erschwerte Piepers Bemühungen um die Vermittlung zwischen verschiedenen rechten und rechtsextremen Gruppen und führte dazu, dass er nur noch als NPD-Politiker auftritt.
Doch auch mit Pieper ist offensichtlich: Die NPD hat nicht das Personal, das dazu imstande wäre, bürgerliche Wähler anzusprechen. Konkurrenz wie die AfD erschwert dies zusätzlich, was auch ein Grund für Meenen und Piepers Besuch auf dem Gründungsparteitag gewesen sein dürfte. So prognostizierte Meenen laut FAZ: »Der NPD dürften erst einmal kurzfristig die bürgerlichen Protestwähler abhanden kommen.« Die Parteikader können sich leicht ausrechnen, dass jeder Verlust von Wählerstimmen der NPD Schaden zufügen kann – vor allem mit Blick auf die Wahlkampfkostenrückerstattung, die die klamme NPD so dringend braucht.
Auch die Macher der Internetseite wohin-deutscherechte.de, die dem ehemaligen NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt nahesteht, gehen auf die AfD und ihre Mitglieder ein, »die hoffen, mit einer neuen Partei den Hochverratskurs von Logen-Merkel und ihren Spießgesellen noch irgendwie zu stoppen«. Die AfD gehe »aber leider genau auf die ausgelegte Leimrute der BRD-Demokraten und distanziert sich von allem Rechten«. Das könnte, so die Betreiber der Seite, aber von Vorteil für die NPD sein, die dann für enttäuschte Funktionäre und Wähler der AfD zur tatsächlichen Alternative werden könnte.
Auch andere Fraktionen der extremen Rechten beobachten die AfD. So verteilte ein Mann auf dem Gründungsparteitag der AfD Flugblätter der »Republikaner«. Diese galten zwar längst als kaum noch existent. Doch nach Informationen der Antifa-Recherchebroschüre Fight Back unternimmt die Partei in Berlin Anstrengungen, sich zu reorganisieren. Auch die Junge Freiheit war vor Ort – hauptsächlich in Printform, mehrere Teilnehmer der Veranstaltung lasen die Zeitung in der Halle. Nach dem Parteitag schrieben die Macher der Zeitung: »Jetzt ist sie da, die neue Partei.« Die Mitglieder kämen »aus der Breite des deutschen Mittelstandes und gebildeter Schichten«. Es handele sich um »Leute, die die Dinge in die Hand nehmen und gestalten wollen«.

Die Bestsellerliste des Buchverkaufs der Jungen Freiheit führt derzeit das Buch »Tatort Euro – Bürger, schützt die Demokratie, das Recht und euer Vermögen« von Joachim Starbatty an, Hans Magnus Enzensberger hat die Einführung geschrieben. Der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der AfD. Und auch an der Redaktion der Sezession, dem zweiten neurechten Hauptorgan nach der Jungen Freiheit, ist die Aufregung um die neue Partei nicht vorbeigegangen. Sie hat soeben ein Sonderheft mit dem Titel »Alternativen für Deutschland« veröffentlicht. Der verantwortliche Redakteur, Götz Kubitschek, zeigt sich gespalten. Bei der Parteigründung handele es sich »um eine Ausweitung der Kampfzone und um die Öffnung eines zusätzlichen Resonanzraums. Dies ist jedoch zugleich die Zementierung einer Mauer: Wer jetzt nicht mit dabei ist, sondern von rechts kritisiert, ist gründlicher außen vor als bisher.«