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Jammern ist Shakespeare zufolge der Gruß des Kaufmanns, und nie zuvor wurde man auf Spiegel Online und Co. so shakespearesch begrüßt wie in den letzten Tagen. In einem großen Chor der Tränen wiesen die deutschen Nachrichtenportale ihre Nutzer mit obszön hässlichen Bannern darauf hin, dass sie bitteschön allesamt ihre Adblocker ausschalten sollten; man sei von den Werbeeinnahmen abhängig, und um weiter den vielbequackelten Qualitätsjournalismus bieten zu können, möge der ehrliche Leser freiwillig in die optische Kloake blicken, die die Reklame-Aggregatoren für ihn am Köcheln halten. Der Werbeeffekt dieser Anzeigen war enorm: Die Kampagne führte dazu, dass viele Leser überhaupt erst von der Existenz der Adblocker erfuhren. Prompt verzeichneten die großen Adblocker-Firmen mehr als verdoppelte Downloadzahlen und bedankten sich artig bei den Verlegern. Ja, sie sind schon eine besonders jammervolle Kaufmannsgilde, die deutschen Verleger, die, wann immer sie mit Gaunerei und Gewimmer nicht durchkommen, nach dem Staat schreien; die Google dafür verklagen, dass die Suchmaschine ihre Seiten verlinkt; die in der Presse große Anzeigen mit dem Slogan »Print wirkt!« schalten, um sie mit dem Hinweis »mehr Informationen auf print-wirkt.de« zu ergänzen – und sich werweiß bald via Kultur-Flatrate Qualitätsartikel wie »So finden Sie das beste Olivenöl« und »Christy Turlington wieder nackt« vom Steuerzahler vergolden lassen. Im Grunde können die Werbetreibenden doch froh sein, dass so viele auf den Adblocker setzen – denn so bleiben die garantiert Allerdümmsten und technisch Unbeholfensten als Publikum zurück. Die deutschen Verleger sind mit Sicherheit darunter.
Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.