Der Bundestagsbeschluss zur Prozesskostenhilfe

Der Prozess geht weiter

Die Länder wollen bei der Prozesskostenhilfe sparen, doch der Bundestag hat anders entschieden. Die Gefahr großer Einsparungen im Justizwesen zu Lasten von Geringverdienern ist dennoch nicht gebannt.

Wenn die Regierungen der Bundesländer ihre Ausgaben für die Justiz senken wollen – und das wollen sie schon seit Jahren –, haben sie im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder sie erhöhen die Gerichtsgebühren und nehmen mehr ein. Oder sie kürzen die Leistungen und zahlen beispielsweise Arbeitslosen und Geringverdienern weniger Prozesskostenhilfe. Die Länder wollten beides, da spart man nämlich am allermeisten. Und – erwünschter Nebeneffekt – wenn die Verfahren teurer werden und die Prozesskostenhilfe geringer ausfällt, dann werden es sich manche Kläger noch einmal überlegen, ob sie überhaupt vor Gericht ziehen.
Die Länder hatten deshalb über den Bundesrat mehrere Gesetzentwürfe eingebracht. Neben einer Neuordnung des Justizkostenrechts mit höheren Gerichts-, Anwalts-, und Notargebühren ging es vor allem darum, die Prozesskostenhilfe auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Der Kreis der Empfänger sollte verringert werden, die Eigenbeteiligung steigen. Eine Ratenzahlung der Prozesskosten wäre künftig bis ans Lebensende möglich gewesen, während bisher nach vier Jahren die restlichen Kosten erlassen wurden. In Familienrechtssachen, also etwa in Unterhaltsfragen oder bei Scheidungen, sollten sich zerstrittene Eheleute künftig möglichst einen Anwalt teilen – ein reichlich absurder Vorschlag, von dem nicht ganz klar ist, ob das Bundesverfassungsgericht ihn überhaupt akzeptiert hätte.
Empörend war aber nicht nur die rigide Sparpolitik, sondern vor allem das Bild des auf Staatskosten prozessierenden Sozialschmarotzers, das die Länder in ihrem Gesetzentwurf zeichnen. Die Grundannahme war offenbar nicht, dass sich zahlreiche Menschen nun mal kein Gerichtsverfahren leisten können. Nein, ihnen wurde Betrug unterstellt. Die Gerichte sollten deshalb sehr viel mehr Möglichkeiten erhalten, zu überprüfen, ob die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Antragsteller wirklich so mies sind wie angegeben, etwa indem sie Dritte befragen oder Sachverständige hinzuziehen. Dass es lediglich um Gängelei ging, war offensichtlich. Es gibt schließlich keine Statistiken, die belegen könnten, dass es tatsächlich häufig zu Betrugsfällen kommt.
Nun zahlen die Länder zwar einen großen Teil der Justizkosten, entschieden wird über ein Gesetz zur Regulierung derselben jedoch auf Bundesebene. Und dort können die komplexen Verfahren der Gesetzgebung doch manchmal gute Ergebnisse hervorbringen. So hatte die Bundesregierung die Forderungen der Länder in einem eigenen Gesetzentwurf zwar schon leicht entschärft, dennoch gab es viel Kritik im Bundestag, auch aus den Reihen der Koalition. Im Rechtsausschuss wurden die Sparpläne nun so zerpflückt, dass kaum noch etwas von ihnen übrig geblieben ist: keine Absenkung der Freibeträge, Ratenzahlung weiterhin höchstens 48 Monate, in Familienrechtssachen kann ein zweiter Anwalt hinzugezogen werden und aus den Schnüffeleien der Gerichte wird auch nichts.
Der Bundestag hat den Gesetzentwurf nun in der Fassung des Rechtsausschusses beschlossen. Allerdings dürfte sich dieses erfreuliche Maß an Vernunft auch nur deshalb eingestellt haben, weil der Bundestag zwar entscheidet, die Länder aber zahlen. Da fällt es leicht, sich als Hüter des Sozialstaats zu gerieren. Und ob es bei der verabschiedeten Fassung bleibt, ist auch noch offen. Schließlich kann der Bundesrat nun wieder mitentscheiden. Und dann könnte das Ganze in den Vermittlungsausschuss gehen.