Streit um ein Mausoleum für einen italienischen Kriegsverbrecher

Ein Fall für die Abrissbirne

Das Mausoleum für den italienischen Kriegsverbrecher Rodolfo Graziani steht nach wie vor. Doch die neue Regionalregierung hat die Zahlung von Fördergeldern eingestellt. Die italienische Integrationsministerin ist ebenfalls eine Gegnerin des Denkmals.

Die Ernennung von Cécile Kyenge zur Ministerin für Integration ist für die Lega Nord ein »Symbol linker Gutmenschenpolitik«, die italienische Partei droht mit »totaler Opposition« gegen die »Bonga-Bonga-Regierung«. Die Neofaschisten von der Partei Forza Nuova verbreiten landesweit Plakate mit der Aufschrift »Kyenge, geh zurück in den Kongo«. Dass eine Frau mit afrikanischem Migrationshintergrund in die Regierung berufen wurde, ist für Italiens Rechte ein Affront. In ihrer Hetzkampagne gegen Kyenge vermengen sie Parolen gegen Einwanderer mit in der Gesellschaft weit verbreiteten Stereotypen aus der faschistischen Rassenpolitik.

Im August vergangenen Jahres widmete ein großes Mitte-Rechts-Bündnis in dem südöstlich von Rom gelegenen Provinzstädtchen Affile einem der größten Verbrecher des italienischen Kolonialismus ein eigenes Mausoleum (Jungle World 36/12). Rodolfo Graziani verdankte seinen militärischen Aufstieg zum faschistischen Generalmarschall seinen Gräueltaten in Afrika. Nachdem er sich bei der Niederschlagung antikolonialer Aufstände in der ostlibyschen Provinz Kyrenaika besonders hervorgetan hatte, übertrug ihm Benito Mussolini eine führende Rolle im italienisch-äthiopischen Krieg. In diesem grausamen Eroberungsfeldzug war Graziani verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Niederschlagung der Widerstandsbewegung durch Massenerschießungen von Kriegsgefangenen und Massaker an der Zivilbevölkerung. Obwohl die zuständige Kommission der Vereinten Nationen ihn nach dem Krieg als Kriegsverbrecher einstufte, wurde er nie als solcher angeklagt. Ein italienisches Schwurgericht verurteilte ihn lediglich wegen seiner Kollaboration mit Nazi-Deutschland zu einer Haftstrafe, von der er wegen einer Amnestieregelung nur wenige Jahre absitzen musste.
Weil die koloniale Vergangenheit lange nicht aufgearbeitet wurde, ist der Mythos von den guten Italienern, die bei den primitiven Völkern in den Kolonien zivile Aufbauarbeit leisteten, immer noch in der Gesellschaft verbreitet. In diesem Sinne wird Graziani in Affile für seine »soldatischen Heldentaten« verehrt. Hätte die internationale Presse nicht über die Einweihung der Gedenkstätte berichtet, hätte weder das im Stile faschistischer Prachtbauten gehaltene Mausoleum noch der von lokalen Gruppen organisierte antifaschistische Protest überregionale Aufmerksamkeit erfahren.
Der Protest war deutlich: Schon bald nach der Errichtung zierte die Aufschrift »Ihr ernennt einen Mörder zum Helden« eine der weißen Marmorwände, anlässlich des internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer der Shoa im Januar verhüllten Antifaschisten den Bau mit einem roten Tuch. Politisch unterstützt wurde der Widerstand von Vertretern der linken Partei SEL und der römischen Sektion der Nationalen Partisanenvereinigung. Auch Vertreter der Demokratischen Partei protestierten nach der Einweihung dagegen, dass der Bau mit öffentlichen Subventionen finanziert worden ist.

Nach der Abwahl des Mitte-Rechts-Bündnisses bei den Regionalwahlen im Februar erinnerte die italienisch-somalische Autorin Igiaba Scego die Demokraten an ihren Protest und forderte in einem offenen Brief an den neuen Regionalpräsidenten, Nicola Zingaretti, den Abriss des Mausoleums. Zur gleichen Zeit richtete auch Cécile Kyenge, damals noch in der Rolle einer einfachen Abgeordneten, eine Petition an das ebenfalls neu gewählte nationale Parlament. Im Namen der Verfassung, die die Verherrlichung des Faschismus verbiete, empfahl Kyenge, das Gebäude umzugestalten und den Opfern des faschistischen Kolonialfeldzugs zu widmen.
Während die parlamentarische Anfrage folgenlos blieb, ließ Zingaretti anlässlich des Jahrestags der Befreiung Italiens vom Nazifaschismus am 25. April die Zahlung regionaler Fördergelder einstellen. In einem persönlichen Brief an die Bürgerinnen und Bürger von Affile begründete er die Entscheidung mit bürokratischen Vorgaben. Die Fördermittel in Höhe von 180 000 Euro seien für ein Projekt zur Rekultivierung der Parkanlage Radimonte genehmigt worden, das im Projektantrag erwähnte »Denkmal für den Soldaten« lasse an ein einfaches »Grabmal für den unbekannten Soldaten« denken. Das Mausoleum für Graziani komme somit einer Veruntreuung öffentlicher Gelder gleich, darüber hinaus sei die Ehrerbietung für einen Kriegsverbrecher »eine inakzeptable Beleidigung der italienischen Freiheit und Demokratie«. Affiles Bürgermeister Ercole Viri beschimpfte Zingaretti daraufhin als »Stalinisten« und wies die Anschuldigung der Veruntreuung zurück. Er beharrt auf dem Recht seiner Gemeinde, nicht irgendeines unbekannten Soldaten, sondern des in Affile begrabenen »Soldaten Graziani« zu gedenken.
Die Gruppen, die in den vergangenen acht Monaten den Widerstand gegen den Bau organisiert hatten, begrüßten Zingarettis Entscheidung. Allerdings wollen sie sich nicht mit dem von ihm angeregten Rückbau zu einem einfachen militärischen Denkmal zufrieden geben. Stattdessen werden bereits Vorschläge für eine Neugestaltung diskutiert. Das Gebäude könnte zu einer Gedenkstätte für die Opfer des Kolonialismus oder zu einem Museum für die Aufarbeitung der italienischen Kolonialgeschichte umgestaltet werden. Das Autorenkollektiv Wu Ming aus Bologna schlägt eine künstlerische Installation vor, in der die Verbindung zwischen dem historischen und dem zeitgenössischen Rassismus.
Die Schmähgesänge in den Fußballstadien sind ein Beispiel für diesen Rassismus. Mittlerweile werden sie zwar geahndet, sie waren aber ohnehin nur die sonntägliche Begleitmusik zu den alltäglichen, politisch gewollten rassistischen Schikanen und Bedrohungen, denen Flüchtlinge, Migranten und ihre Nachkommen ausgesetzt sind. Da wirkt die Vorstellung illusorisch, Kyenge könne in einer großen Koalition mit jenen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten die repressiven Einwanderungsgesetze konzipiert haben, rechtliche Verbesserungen durchsetzen. Dennoch will sich die Ministerin nicht in die ihr zugedachte Rolle als bloßes Symbol gesellschaftlicher Erneuerung fügen. Mit ihrer Forderung, den Straftatbestand der illegalen Einwanderung abzuschaffen und den in Italien geborenen Kindern von Migranten automatisch die italienische Staatsbürgerschaft zu verleihen, provoziert sie nicht nur Italiens Rechte. Die Vorbehalte, auf die sie parteiübergreifend stößt, verdeutlichen auch die rassistischen Ressentiments des vermeintlich aufgeklärten Milieus, das sich gerne mit einem historischen Museum in Affile zufriedengegeben hätte.