Drei Forderungen an die Innenministerkonferenz

Für eine neue Bleiberechtsregelung!

Seit Mittwoch tagt in Hannover die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern. Pro Asyl, der Flüchtlingsrat Niedersachsen, Jugendliche ohne Grenzen und das Roma-Center Göttingen haben aus diesem Anlass Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik verlangt. Konkret fordern sie Visaerleichterungen für syrische Flüchtlinge, ein Bleiberecht für langjährig Geduldete und die Integration von Flüchtlingen vom ersten Tag an. Wir dokumentieren das Hintergrundpapier von Pro Asyl zu diesen Forderungen:
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Visaerleichterungen für syrische Flüchtlinge
In den letzten Monaten haben jeweils mehrere Tausend Menschen pro Tag Zuflucht in den Nachbarländern Syriens gesucht. Die Vereinten Nationen geben die Zahl der Syrien-Flüchtlinge jetzt mit 1,5 Millionen an. Allein seit Jahresanfang sind eine Million Menschen neu erfasst worden. Die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge liegt aber sicherlich viel höher. Rund ein Viertel der syrischen Bevölkerung ist auf der Flucht. Jordanien hat bisher rund eine halbe Million syrische Flüchtlinge aufgenommen, das entspricht etwa zehn Prozent der eigenen Bevölkerung. Es liegt vor dem Hintergrund dieser Zahlen und der extrem schwierigen Situation für viele Flüchtlinge in den Lagern der Erstaufnahmestaaten auf der Hand, dass wei­tere Anstrengungen vonnöten sein werden. Die NGOs erinnern daran, dass während des Kosovo-Krieges 20 000 Menschen per Luftbrücke nach Deutschland ausgeflogen wurden. Weitere Aufnahmeplätze müssen zur Verfügung gestellt werden.
In Deutschland leben rund 40 000 syrische Staatsangehörige, die Verwandte aus Syrien zu sich holen wollen. Die von Außenpolitikern aller im Bundestag vertretenen Parteien erhobene Forderung nach großzügigen Aufnahmeregelungen für syrische Schutzsuchende wird für diesen Personenkreis ad absurdum geführt. Sehr viele von ihnen erhalten kein Visum, weil ihr Wille zur Rückkehr bezweifelt wird. Betroffen sind sowohl Flüchtlinge, die noch vor Europas Grenzen ausharren müssen, wie auch syrische Staatsangehörige, die die EU erreicht haben und gemäß der Dublin-II-Verordnung nicht zu ihren Angehörigen nach Deutschland kommen dürfen, weil ein anderer Staat zuständig ist. Hier werden Ressourcen, wie sie sich aus verwandtschaftlichen Bindungen zu oft längst integrierten Verwandten in Deutschland ergeben, nicht genutzt. In Ergänzung eines Aufnahmeprogrammes fordern die NGOs ein unbürokratisches und transparentes Verfahren, wie Familienangehörige legal einreisen können – außerhalb eines eng begrenzten Kontingents.

Bleiberecht für langjährig Geduldete
Die Zahl der Geduldeten in Deutschland ist mit mehr als 85 000 konstant hoch. Rund 36 000 von ihnen leben seit über sechs Jahren im Bundesgebiet. Dazu kommen noch über 33 000 als ausreisepflichtig Registrierte ohne Duldung. Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es bei diesen Zahlen kaum Bewegung: Die Zahl der Geduldeten ist zwar geringfügig gesunken, die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Duldung hingegen im gleichen Rahmen gestiegen. Eine stichtagsungebundene Bleiberechtsregelung ohne restriktive Ausschlussgründe wie bei den Regelungen der letzten Jahre ist also weiter dringend erforderlich, was vor allem die Zahl der Minderjährigen unter den Geduldeten deutlich macht: Mit insgesamt 22 000 machen die Minderjährigen ein Viertel aller Geduldeten aus. Zählt man die 18- bis 20jährigen hinzu, leben fast 28 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einer Duldung in Deutschland. Zum Vergleich: Von der Altfallregelung für gut integrierte Kinder und Jugendliche – seit Juli 2011 in Kraft – haben bislang weniger als 2 000 Jugendliche profitiert. Dies zeigt, dass nach wie vor dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Erfreulicherweise gibt es seitens verschiedener Bundesländer Initiativen für eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung für Geduldete. Die bisherigen Regelungen scheiterten in der Vergangenheit an ihrer restriktiven Ausgestaltung und der Stichtagsbezogenheit. Zu jung, zu alt oder zu arm für ein Bleiberecht – dieser Effekt früherer Regelungen muss außer Kraft gesetzt werden. Eine wirkungsvolle neue Bleiberechtsregelung muss stichtagsunabhängig sein und darf keine unerfüllbaren Bedingungen an die betroffenen Menschen stellen.

Integration von Flüchtlingen vom ersten Tag an
Die NGOs fordern uneingeschränkte Partizipationsmöglichkeiten für alle Flüchtlinge ohne Ansehen ihres Status. Durch den verweigerten Zugang zu den sogenannten Integrationskursen wird der Spracherwerb erheblich erschwert, eine gesellschaftliche Teilhabe verhindert und die Integration in Bildung und Arbeit blockiert. Problematisch ist insbesondere auch die gesellschaftliche Isolation von Kindern und Jugendlichen, die unter mangelnden Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten besonders leiden. Oftmals verhindern die Art und Form der Unterbringung von Familien in abgelegenen Gemeinschaftunterkünften einen Kontakt zu Mitschülerinnen und Mitschülern oder die Teilnahme an Sportvereinen. Problematisch ist etwa auch die Praxis mancher Behörden, durch die Erteilung von Wohnsitzauflagen jungen Flüchtlingen eine Ausbildung zu verunmöglichen oder durch ausländerbehördliche Auflage ein Studium zu verbieten. Diese Ungleichbehandlung leistet Rassismus Vorschub. Im Interesse an einer nachhaltigen Partizipation und Teilhabe von Flüchtlingen fordern wir Deutschkurse, die Gleichberechtigung von Asylsuchenden und Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt, die Auflösung von abseits gelegenen Sammelunterkünften, die Abschaffung des Sachleistungsprinzips und weitere Maßnahmen, die geeignet sind, ausgrenzenden und rassistischen Stimmungen entgegenzuwirken.