Selbstverliebt in Sofia

Es ist zwar schon so etwas wie eine Grundkompetenz, die Politikerinnen und Politiker mitbringen müssen, um im harten Konkurrenzkampf zu bestehen, aber dass jemand dermaßen von sich überzeugt ist und nicht einen Hauch Selbstkritik erkennen lässt, muss doch einmal gewürdigt werden. Der ehemalige – und demnächst vielleicht sogar wieder amtierende – Ministerpräsident Bulgariens, Bojko Borissow, will es einfach nicht wahrhaben, dass ihn nicht alle Bulgarinnen und Bulgaren so toll finden wie er sich selbst – obwohl es doch erstaunlich viele sind. Erst am 20. Februar war seine Regierung nach Massenprotesten gegen hohe Strompreise, Sparmaßnahmen, soziale Ungleichheit und politische Parteien allgemein zurückgetreten. Nagten da etwa doch Zweifel an ihm? Nein, er wollte sich mit diesem Schritt als Bewahrer des sozialen Friedens gebärden und so für sich und die 2006 von ihm gegründete rechte, wirtschaftsliberale Partei »Bürger für eine europäische Entwicklung und Zukunft« (GERB) Sympathien für die bevorstehenden Wahlen zurückgewinnen. Vielleicht würden die Protestierenden ihren Unmut bis dahin vergessen. Immerhin 30,7 Prozent der Stimmen erhielt die GERB nun bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 12. Mai. Das reicht jedoch nicht für die Parlamentsmehrheit und die zweitplatzierten Sozialisten (BSP) wollen mit der GERB ebenso wenig koalieren wie die Partei der türkischen Minderheit (DPS) und die rechtsextreme Ataka, die Borissows vorherige, ab 2009 amtierende Minderheitsregierung noch bedingungslos unterstützt hatte.
Am Donnerstag vergangener Woche beschwerte sich Borissow vor dem Verfassungsgericht, er sah »schwere Regelverstöße« am Vortag der Wahl und will das Wahlergebnis annullieren und Neuwahlen abhalten lassen. Gegen die Regeln verstoßen hat aber offenbar die GERB selbst. Sicherheitskräfte hatten am 11. Mai in einer Druckerei, die einem Kandidaten der GERB gehört, 350 000 nicht registrierte Wahlzettel konfisziert. Die anderen Parteien kritisierten diesen mutmaßlichen Manipulationsversuch natürlich sofort. Das hält Borissow für illegal, da Wahlkampf am Vortag der Wahlen verboten ist. Der ehemalige Bürgermeister Sofias und Karatemeister kann sich das unzureichende Abschneiden seiner Partei wohl nicht anders erklären. An den unpopulären Sparmaßnahmen oder dem Abhörskandal um seinen Innenminister kann es ja nicht liegen.