Die EU will gegen Steuerhinterziehung vorgehen

Der Standortvorteil

Die jeweiligen Interessen der Nationalstaaten in der EU verhindern ein gemeinsames Vorgehen gegen Steuerhinterziehung.

Die Lösung aller finanziellen Probleme könnte einfach sein. Rund eine Billion Euro gehen nach Angaben der EU-Kommission den 27 EU-Staaten jährlich durch Steuerhinterziehung verloren. Ein Betrag, der doppelt so hoch ist wie alle Haushaltsdefizite im vorigen Jahr zusammen. Die Schuldenkrise in Europa wäre wohl halb so schlimm, gelänge es, dieses Geld auch einzutreiben. Doch genau daran scheitern die Regierungen regelmäßig, wie vorige Woche beim EU-Treffen in Brüssel.
Dort wollten die EU-Länder eigentlich gemeinsame Maßnahmen vereinbaren. Bankdaten sollten künftig grenzüberschreitend ausgetauscht und gemeinsame Regeln für die Zinsbesteuerung beschlossen werden. Am Ende waren die üblichen Erfolgsformeln zu hören. »Dies ist ein schlechter Tag für Steuerbetrüger«, verkündete der österreichische Finanzminister Werner Faymann.
Wer schwarze Konten besitzt, muss deswegen aber keine schlaflose Nächte fürchten. Zunächst sollten die Verhandlungen mit Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz, San Marino und Liechtenstein bis Ende des Jahres abgeschlossen werden, meinte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. Dann könne man weitersehen. Solche Einwände hört man in der EU seit Jahren.
Unverändert bestehen bleiben auch die unterschiedlichen Steuersätze für Unternehmen in Europa. Sie fallen etwa in Irland besonders niedrig aus. Dort müssen internationale Firmen trotz Milliarden-Gewinne nur minimale oder, wie im Falle von Apple, gar keine Steuern entrichten.
Immer wieder befürchten einzelne EU-Länder, durch entsprechende Abkommen ihre bisherigen Standortvorteile zu verlieren. Rund 40 Prozent der Luxemburger Einnahmen kommen aus dem Finanzsektor, die ohne das Bankgeheimnis wohl nicht mehr ganz so üppig fließen würden. Auch in Österreich ist das Bankgeheimnis gesetzlich verankert. Dass beide Länder bisher wenig von der Idee begeistert waren, mit anderen EU-Staaten Steuerdaten auszutauschen, verwundert nicht.
Dass es auch effektiver geht, demonstriert die US-Regierung. Sie wendet sich nicht an Regierungen, sondern direkt an die betroffenen Finanzinstitute. So drängten die US-Behörden vor einigen Jahren die Schweizer UBS dazu, Kontodaten von US-Bürgern mitzuteilen. Als sich UBS anfänglich weigerte, drohte Washington damit, die Bank vom US-Markt fernzuhalten. Die UBS gab nach, zahlte 780 Millionen Dollar Strafe wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und übermittelte die gewünschten Informationen. Mit dem »Foreign Account Tax Compliance Act« wurde 2010 sogar ein Gesetz geschaffen, um weltweit die Steuerhinterziehung von US-Bürgern zu erschweren.
Weniger konsequent sind die US-Behörden im eigenen Land. »Delaware und Nevada sind Steuerparadiese und Paradiese für die Geldwäsche, diese müssen genauso trockengelegt werden«, wetterte kürzlich die österreichische Finanzministerin Maria Fekter. Tatsächlich gibt es jenseits von Europa viele Möglichkeiten, Vermögen anonym anzulegen. Doch wären sich die EU-Staaten einig, könnten sie wohl auch internationale Geldtransfers besser kontrollieren.
So aber werden auch künftig zuerst die Sozialausgaben gesenkt und öffentliche Angestellte entlassen, wenn EU-Staaten Haushaltsdefizite reduzieren müssen. Dass Vermögende Steuern hinterziehen, ist offenbar ein nachrangiges Problem. Auch wenn es einfach zu lösen wäre.