Blockupy ist reine Symbolpolitik

Kritik ist das Gegenteil von Mitmachen

Blockupy erscheint derzeit als einzig richtige linke Antwort auf die Krise. Doch eine radikale Linke, der es um Emanzipation geht, hat dort eigentlich nichts verloren. Ein Plädoyer gegen die Teilnahme an Blockupy.

Die Selbstmordrate in Griechenland steigt dramatisch an, unter anderem in Spanien verleihen Zehntausende ihrer Verzweiflung in Form von Auseinandersetzungen mit der Polizei Ausdruck, weite Teile der Bevölkerung Europas verarmen zusehends. Es gibt also genügend Gründe, sich an sozialen Kämpfen zu beteiligen. Doch das darf nicht bedeuten, bei jedem Unfug mitzumachen.
Blockupy ist ein solcher Unfug. Der Plan, die Europäische Zentralbank (EZB) zu blockieren, ist reine Symbolpolitik und hilft niemandem wirklich. Im Gegenteil: Proteste in der »Bankenstadt« Frankfurt suggerieren zwangsläufig, dass das Übel primär in der Finanzsphäre des Kapitalismus schlummere. Die Interventionistische Linke zum Beispiel kokettiert in ihrem Mobilisierungsmaterial ganz offen damit: Ein Plakat wirbt mit »Finanzmetropole blockieren«. Occupy ist ebenso vertreten wie das 3A-Bündnis, Attac und »Die Linke«, deren beide Parteivorsitzende den Aufruf sogar unterzeichnet hat. Allesamt Vertreter einer falschen (oft als »verkürzt« verharmlosten) »Kapitalismuskritik«. Schon das ist Grund genug, Blockupy samt seiner Organisatoren zu kritisieren.

Die Dringlichkeit eines Problems macht nicht jede vermeintliche Lösung automatisch richtig. Diese banale Erkenntnis scheinen immer mehr Linksradikale zu vergessen. Der Wunsch, nicht mehr ohnmächtig zu sein gegenüber der Totalität der Verhältnisse, genauer gesagt, sich nicht mehr ohnmächtig zu fühlen, veranlasst selbst Menschen, die es besser wissen müssten, zu den merkwürdigsten Aktivitäten. Diese Menschen sind nicht zwangsläufig im Bündnis »Ums Ganze« organisiert, doch wird ihre Herangehensweise innerhalb der Blockupy-Szene durch das »Ums Ganze«-Bündnis repräsentiert. Ihre Herangehensweise nennt sich »kritische Intervention«, sie setzt sich zum Ziel, zwar teilzunehmen, aber »kritisch« bei Protesten zu intervenieren. Ein Konzept, das bis heute nicht aufgeht. Es beginnt stets mit dem hoffnungslosen Versuch minimaler Aufklärung und endet im bloßen Mitmachen. »Ums Ganze« antwortet seinen Kritikern gerne damit, man habe ein paar kritische Sätze in den diesjährigen Aufruftext zu Blockupy hineinschreiben können. In diesen Sätzen stehen Basisbanalitäten, wie dass es keinesfalls Krisenlösungsstrategie sein darf, gegen Juden, Muslime und Sinti und Roma zu hetzen. Anders als »Ums Ganze« konstatiert, sind diese wenigen Sätze keinerlei Beleg für die Sinnhaftigkeit »kritischer Interventionen«, sondern beweisen im Gegenteil, wie wenig sie an Erfolgen vorzuweisen haben.
Was nämlich Aktivisten an Blockupy fasziniert, ist das Gefühl, dass es in Zeiten der verstellten Praxis auf einen selber noch ankomme, dass man gemeinsam etwas erreichen könne, kurzum: die heimelige Nestwärme der bewegungslinken Gemeinschaft. Der Wunsch, Menschen kennenzulernen, das Gefühl, gemeinsam Widerstand zu leisten und nach einem anstrengenden Aktionswochenende erschöpft einzuschlafen und sich zu denken: »Ich habe noch nicht resigniert«, um am nächsten Tag wieder zur Schule/Uni/Arbeit zu gehen. Schon der Eventcharakter solcher Aktionstage macht sie attraktiv.

Solche Gefühle und Wünsche sind teilweise völlig legitim, bloß sollten sie eingestanden und reflektiert werden, statt unentwegt davon zu reden, man sei ja kritisch, um dann doch nur mitzumachen. »Ums Ganze« möchte bei Blockupy beispielsweise über den Sinn der Forderung nach »echter Demokratie« diskutieren. Löblich, fragt sich bloß, warum man diese Veranstaltung im Rahmen von und nicht gegen Blockupy organisiert. Die Antwort ist einfach: Man möchte den Anschluss an die realexistierende Linke nicht verlieren. Die Unfähigkeit, sich einzugestehen, wie wenig diese derzeit mit Emanzipation zu tun hat, ist also in erster Linie den psychologischen Bedürfnissen der Aktivisten geschuldet.
Bleibt nur noch die Idee von Kritik im Handgemenge, die sich nicht vereinnahmen lässt. Es ist nichts Falsches daran, sich an diesem Wochenende in die Frankfurter Innenstadt zu begeben, bloß sollte dies nicht geschehen, um bei Blockupy mitzumachen, sondern um Kritik daran zu üben, und zwar schonungslos. Es gilt: »Kritische Intervention« ist ein aktivistisches »Ja, aber …«, Kritik dagegen ein überzeugtes »Nein, weil …«. Wem an wirklicher Emanzipation gelegen ist, der hat bei Blockupy höchstens etwas verloren, um das Spektakel zu kritisieren, denn das Einzige, das dort blockiert wird, ist das kritische Denken.