Razzien gegen die »Revolutionären Aktionszellen«

Wenn der Bundesanwalt klingelt

Die Razzia bei linken Einrichtungen im Zuge der Ermittlungen gegen die »Revolutionären Aktionszellen« hat ihren Zweck erfüllt: Daten sammeln und Meinungsmache gegen links.

Da war er wieder, der Paragraph 129. Wegen des »Verdachts der Bildung einer linksextremistisch motivierten kriminellen Vereinigung«, namentlich der »Revolutionären Aktionszellen« (RAZ), durchsuchten Mitte vergangener Woche 300 Beamte in drei Bundesländern insgesamt 21 Objekte, darunter das soziale Zentrum in Magdeburg sowie das Büro des sozialistischen Jugendverbands »Die Falken« in Stuttgart.
Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können: Die Razzia fand gleichzeitig mit dem Beginn der Innenministerkonferenz in Hannover statt, auf der nicht nur der Abschlussbericht der Bund-Länder-Expertenkommission »Rechtsterrorismus« vorgestellt, sondern auch über die »Neuausrichtung des Verfassungsschutzes« debattiert wurde. Nachdem dem rechten Terror in jüngster Zeit so viel Aufmerksamkeit zuteil geworden war, wollte die Bundesanwaltschaft die Innenminister wohl wieder einmal an die »Gefahr von links« erinnern. Auch die Stadt Frankfurt, die sehr bemüht ist, angesichts der »Blockupy«-Aktionstage am Wochenende ein Bedrohungsszenario zu verbreiten, wird sich gefreut haben. »Gefahr aus dem linken Untergrund«, titelte Spiegel Online am Tag der Razzia.
Dabei gab es weder Festnahmen, noch konnten die Behörden Waffen oder Sprengstoff präsentieren. Zudem sind die RAZ bereits seit zwei Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten. Ihrem Ziel, »der Zerstörung der ideologischen und repressiven Staatsapparate«, sind sie in ihrer gerade mal zweijährigen Schaffensphase nur bedingt näher gekommen. Acht Delikte wirft die Bundesanwaltschaft der Gruppe vor: Neben fünf kleineren Brand- und Sprengstoffanschlägen sollen die RAZ drei Briefe mit 8-Millimeter-Patronen an ihnen unliebsame Personen verschickt haben. Wie eine ernsthafte Bedrohung für den Staat – selbst wenn die RAZ sich selbst gerne so sahen – wirkt das nicht.
Zumindest begnügte sich die Bundesanwaltschaft diesmal damit, eine »kriminelle« und nicht gleich eine »terroristische« Vereinigung zu konstruieren. Anscheinend hat sie aus ihren Fehlern gelernt, denn beim Verfahren gegen die Militante Gruppe (MG) vor fünf Jahren war sie mit der Beschwörung einer terroristischen Gefahr vor Gericht gescheitert. Doch ob nach Paragraph 129 oder 129a ermittelt wird, der Nutzen für die Behörden bleibt der gleiche: Sie können ihre Datensammelwut befriedigen und zugleich Meinungsmache gegen die linke Szene betreiben.
Dass bei den Aktionen der RAZ niemand zu Schaden gekommen ist – »bislang«, wie es die Bundesanwaltschaft formuliert, um die vermeintlich akute und konkrete Gefahr zu betonen –, war indes kein glücklicher Zufall, sondern Teil des militanten Konzepts der Gruppe, das den Behörden bekannt sein sollte, sofern sie nicht nur Texte des »Extremismusforschers« Uwe Backes lesen, der ebenfalls eine Patrone per Post erhalten hatte. Solche entscheidenden Details aber stören, wenn der Verfassungsschutz seinen Kampf gegen den »Linksextremismus« rechtfertigen muss und Sorge hat, dass seine sogenannte Neuausrichtung vor allem in die andere Richtung weist.