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»Händel-Festspiele in Halle fallen ins Wasser«, »Wasser auf die Mühlen von Merkels Wahlkampf«, »Helfern steht das Wasser bis zum Halse« – die Wetterlage bietet viele Möglichkeiten zur Verwendung journalistischer Phrasen. Doch die Konkurrenz ist hart, denn Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner möchte »die betroffenen Landwirte nicht im Regen stehen lassen« und Kanzlerin Angela Merkel will mehr Geld bereitstellen, falls die ersten 100 Millionen »schnell abfließen«. Dem politischen Personal wiederum droht nun Konkurrenz beim Katastrophengaffen. Doch während das Posieren Georgina »Fleur« Bülowius’, mehr oder weniger bekannt aus diversen Reality Shows, vor einer Überschwemmungskulisse Empörung erregte, gilt die Behinderung der Hilfsarbeiten durch posierende Politikerinnen und Politiker als Beweis ihres Verantwortungsbewusstseins. Selbst wenn Merkel sagt: »Es ist ersichtlich, dass das hier nicht nur ein Jahrhundert­ereignis ist, sondern etwas Exorbitantes.« Frei übersetzt heißt das ja: »Ätsch, Gerhard, mein Wahlkampfhochwasser ist viel schöner als deines.« Aber bis September fließt noch viel Wasser den Fluss hinunter.
Ja, es ist uns nicht entgangen, dass es anderswo noch mehr geregnet hat als hier in Berlin. Dass es bei jeder Katastrophe Gewinner und Verlierer gibt, haben wir jedoch bereits anlässlich der Schröder-Flut (Jungle World 36/2002) auf den Thema-Seiten erläutert. Diese Woche boykottieren wir das exorbitante Jahrhundert­ereignis. Franz Josef Wagner von der Bild-Zeitung (»Das Wasser weiß nicht, was ein Spielzeug ist. Das Wasser hat kein Mitleid«) können wir ohnehin nicht das Wasser reichen. Und unser eigener Dachschaden, der dafür sorgt, dass Feuchtigkeit durchdringt und vor der Tür der Putz bröckelt, ist nicht spektakulär. Brisanter war da die Überflutung des Wasserkochers, die einen Kurzschluss verursachte. Größere Sorgen bereitet uns aber das Vorhaben des Vermieters, den Parkplatz vor der Redaktion umzubauen, zumal es mit der Mahnung verbunden wurde, während der Arbeiten weniger Müll zu produzieren. Proteste gegen ein dubioses Bauvorhaben sind ja ein weiteres Thema der Woche, eines, das wir nicht boykottieren. Nun muss man unserem Vermieter allerdings zugute halten, dass er weder Bäume fällen noch die Sharia einführen will. Auf »Occupy Gneisenauparkplatz« werden wir daher wohl verzichten. Das Altpapier können wir ja auf dem Dach verbrennen. Wenn es zufällig mal nicht regnet.

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So nicht gesagt. (Ausgabe 22/2013) Das Online-Magazin »Das ZOB« hat mitgeteilt, dass das Zitat »die degradierung von volksvertretern zu sprechpuppen der wirtschaftslobbyisten«, anders als im Artikel »Das Schwedenrätsel« dargestellt, nicht von seiner Homepage stamme.