Kommentiert Peer Steinbrücks Wahlkampf

Der kryptische Wahlkampf

Unter regem Desinteresse der Öffentlichkeit hat Peer Steinbrück sein »Kompetenzteam« vorgestellt. Geht er gerade nicht dem Fettnäpfchenhopping nach, widmet er sich gemeinsam mit den designierten Wahlverlierern seines Teams der Politiksimulation.

Die Kryptozoologie ist ein Zweig der Wissenschaft, der sich mit der Suche nach unentdeckten Lebensformen befasst. Da dies vor allem die Fahndung nach Nessie, Yeti und Co. beinhaltet, werden Kryptozoologen gerne mitleidig belächelt, obwohl Forscher rund um den Planeten tatsächlich immer wieder über neue Großtierarten stolpern.
Ebenfalls ein mitleidiges Lächeln verdient der Wahlkampf der SPD, von dem die Öffentlichkeit ungefähr so viel Notiz nimmt wie von der Existenz des 2005 entdeckten Australischen Stupsfinnendelphins. Da half es auch nicht, dass Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sein sogenanntes Kompetenzteam nur häppchenweise vorstellte, offenbar in der Hoffnung, damit so etwas wie Spannung zu erzeugen.
Dass diese nicht wirklich aufkam, hat diverse Gründe. An erster Stelle selbstverständlich den, dass die SPD und ihr Personal ungefähr so sehr für Nervenkitzel und Dramatik stehen wie ein Dokumentarfilm über Zootiere im Nachmittagsprogramm der Dritten. Zweitens liegt es daran, dass sich das Interesse an designierten Wahlverlierern, deren Namen man sich eh nicht merken muss, von vornherein in übersichtlichen Grenzen hält. Und drittens hätte Steinbrück für die Vorstellung seiner Komparsen keinen schlechteren Zeitpunkt wählen können: Die politisch interessierte Öffentlichkeit verfolgte die Livestreams von den Unruhen in der Türkei, die deutschen Qualitätsmedien waren mit Wasserstandsmeldungen vollständig ausgelastet.
Was heute »Kompetenzteam« genannt wird, hieß früher übrigens einmal Schattenkabinett, und das wäre wohl auch der passendere Name für Steinbrücks Truppe. Denn nicht nur in abgelegenen Dschungelgebieten, sondern auch unter denen, die nach dem 22. September garantiert kein Ministeramt bekleiden werden, lassen sich allerhand unbekannte Lebensformen entdecken. Vermutlich haben mehr Menschen schon einmal vom Vietnamesischen Waldrind gehört als von Cornelia Füllkrug-Weitzel, Gesche Joost, Matthias Machnig, Florian Pronold oder Oliver Scheytt.
Die einzige Personalie, die größere Aufmerksamkeit auf sich zog, war die Berufung von Rolf Kleine zu Steinbrücks neuem Berater, womit der Kandidat erneut sein schlafwandlerisches Gespür für Fehlgriffe bewies. Kleine hat sein Geld zuletzt als Immobilienlobbyist verdient (siehe auch Seite 7), zuvor hat er sich in seiner Eigenschaft als Bild-Redakteur mit der Verteidigung von Thilo Sarrazin einen Namen gemacht und Anfang des Jahres postete er auf Facebook einen rassistischen Kommentar über Philipp Rösler.
Aber irgendwie passt das alles ja auch zur SPD, und an Steinbrücks Fettnäpfchenhopping hat man sich längst gewöhnt. Der Wahlkampf wird weiterhin größtenteils im Verborgenen stattfinden – sehr zur Freude der Liebhaber vergleichsweise interessanter Dinge wie des Sommerlochs und der Kryptozoologie: Die Gefahr, dass Steinbrücks Politiksimulation den bevorstehenden Nessie-Sichtungen die Schau stiehlt, dürfte gering sein.