Fußnoten

Es ist das Feuilleton-Event des Jahres: Das Fußballturnier des Berliner Teils der deutschen Schriftstellernationalmannschaft. Wie jedes Jahr veranstalteten die Schreibkräfte am Wochenende den Erich-Mühsam-Pokal, bei dem die verborgenen Talente ausgelebt werden. Die Kulturbranche traf sich auf dem einzigen Fußballplatz in Berlin-Mitte – umringt von teuren Eigentumsbauten, das Viertel ist gentrifiziert wie auch der heutige Fußball. Was bei uns allerdings noch nicht so angekommen ist. Jürgen K. steht an dem Tag nicht notwendigerweise für Jürgen Klopp. Noch sieht die hippe Anwohnerschaft ab vom Tränengaseinsatz. Vielleicht wohnt auch gar keiner in diesen Investitionsruinen. Seit 2007 nimmt neben anderen Presseheinis auch ein Jungle World-Team teil, dessen Mitglieder aber oft genug Ex-Dschungies sind. Heutzutage haben sie profitable Jobs: Pressesprecher mit Zeitvertrag, hungertuchnagender Filmkritiker, Menschenrechtler. Oder sie sind Kinder. Zweimal konnten wir die liebevoll gebastelte Trophäe schon mitnehmen! Dieses Jahr hat der Schriftsteller Jochen Schmidt einen alten Fußballschuh kreativ mit Alufolie verziert und die Nahtstellen mit Panini-Bildern gesichert. Dekorative Innenausstattung: ein Flachmann. Übrigens Schmidt – das ganze Stadion ist voll von Promis. Uli Hannemann, Moritz Rinke. Da ist der blaue Fleck wie eine freundliche Widmung auf der Aufschlagseite. Stilistisch geht es erfrischend wenig Thomas-Mann-like zu: »Ey, Schiri!«, »Spiel ab, du Sau«. Hier schreibt sich eine eher minimalistische Lyrik. Für die Vermarktung gilt: Beim Ballbesitz pocht jeder aufs Urheberrecht. Der Autor als kleinstselbständiges Wirtschaftssubjekt tendiert eher zur Arbeit auf eigene Rechnung. Auch wir erwiesen uns in dem Sinne als gute Literaten – vermutlich aufgrund der Leistungsbilanz adaptierten wir zumindest das Vokabular. Ich sag mal: Unentschieden ist das neue Gewonnen. Verletzte hatten wir zum Glück nicht. Aber leider doch recht viele Vorletzte.