Thälmann muss weg!

Teddy, go home!

Die antifaschistische Linke sollte sich vom Thälmann-Erbe endlich lösen.
Von

Es gibt genau zwei Gründe gegen den Abriss des Thälmann-Denkmals in Berlin: dass die FDP dafür ist – und dass aus Denkmalschutzgründen nicht jedes Bauwerk nach seiner ideologischen Demontage auch tatsächlich niedergerissen werden sollte. Ansonsten aber ist es geradezu beschämend, dass die Linken es den Rechten überlassen, Thälmann niederzumachen. Dabei müsste dies Linken ein selbstverständliches Anliegen sein. Doch nein, selbst die Post-Antifas von TOP-Berlin mobilisierten ihre Anhänger gegen den Abriss und posteten bei Facebook keck: »Das Thälmann-Denkmal in Berlin ist zwar nicht besonders hübsch, aber gut zum Skaten ist es allemal. Außerdem war Teddy ein stabiler Typ, der den Hamburger Hafenaufstand im Puff verschlief und bis zu seiner Ermordung im KZ Buchenwald straighter Antifaschist blieb.« Gut, ein drittes Argument für den Erhalt des Denkmals sei akzeptiert: Skaten. Aber dass eine Gruppe, die aus der Antifa-Bewegung kommt, Thälmann als »straighten Antifaschisten« durchwinkt, das verwundert allemal.
Man muss nicht antikommunistisch argumentieren oder totalitarismustheoretisch oder FDP-liberal: Schon Leo Trotzki kritisierte den »Nationalkommunismus« Thälmanns, der diesen schließlich dazu bewog, gemeinsam mit der NSDAP 1931 einen Volksentscheid zur Auflösung des von der SPD regierten preußischen Landtags und später, 1932, einen Streik der Verkehrsbetriebe in Berlin zu organisieren. Thälmann habe mit Hitler eine »Einheitsfront« gebildet, schrieb Trotzki im August 1931 und legte dar, dass Thälmann eine »Volksrevolution anstelle der proletarischen Revolution« anstrebe und es ihm in Wirklichkeit um »nationale Befreiung« gehe. Trotzki: »›Der Hauptfeind steht im eigenen Land!‹, lehrte früher Karl Liebknecht. Habt Ihr das vergessen, Freunde? Oder taugt diese Lehre vielleicht nicht mehr? Für Thälmann ist sie offensichtlich veraltet.«

Thälmann blieb nicht nur ein Stalinist erster Güte, sondern auch seinen nationalrevolutionären Idealen treu. 1944 schrieb er, in Bautzen einsitzend, pathetisch: »Mein Volk, dem ich angehöre und das ich liebe, ist das deutsche Volk, und meine Nation, die ich mit großem Stolz verehre, ist die deutsche Nation. Eine ritterliche, stolze und harte Nation. Ich bin Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiter und bin deshalb als ihr revolutionäres Kind später ihr revolutionärer Führer geworden.« Trotzki kam bereits 1931 zu dem Ergebnis, Thälmann sei kein Marxist.
Kein Marxist zu sein, ist verzeihlich. Aber war Thälmann überhaupt ein Linker? Welche linken, emanzipatorischen Positionen finden sich bei ihm? Keine. Selbst wenn es gelingen sollte, Thälmanns Biographie rückblickend ins antifaschistische Licht zu rücken – immerhin organisierte er später einen militanten Kampf gegen Hitler und wurde schließlich im KZ Buchenwald ermordet –, ist Thälmann als verehrtes Idol der untergegangenen DDR mehr als seine Person, nämlich auch ein Symbol, und zwar eines, das für so ziemlich alles Regressive in der Geschichte der Linken steht. Mehr als auf Marx und Lenin bezog sich die DDR auf Thälmann, auch die Pionierorganisation, der die heutige Bundeskanzlerin diente, hörte auf seinen Namen. Zu Recht, denn das Verständnis der SED vom Antifaschismus war dasselbe wie Thälmanns, ein dimitroffsches, wonach Faschismus nur eine Form des Kapitalismus sei, und das die entscheidenden Merkmale des Nationalsozialismus – Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Volksgemeinschaft, totalitärer Staat, Patriarchat – nicht einmal im Ansatz reflektierte. Nur so konnte aus der sich selbst als »antifaschistisch« bezeichnenden DDR ein Staat werden, der in seiner Gestalt als national befreite Zone, als militaristisches und totalitäres Ungetüm, heute mehr ein Vorbild für die NPD ist – als für jeden aufgeklärten, fortschrittlichen Linken.

Kein Wunder, dass sich vor allem die ärgsten ML-Sektierer, Stalinos und DDR-Nostalgiker rund um die Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals und das Denkmal im Prenzlauer Berg scharen, zuweilen auch ausgemachte Nazis wie der ehemalige Vorsitzende des »Kampfbunds Deutscher Sozialisten«, Michael Koth.
Lange hat sich nicht mehr so deutlich und für jeden erkennbar wie heute gezeigt, dass antifaschistische Praxis in Deutschland nach wie vor Not tut – angesichts des NSU-Terrors, angesichts rassistischer Gewalt, angesichts weit verbreiteter antisemitischer Stimmung und auch angesichts eines sich etablierenden faschistischen Jihadismus. Doch gerade um des Antifaschismus willen muss die Linke mit Thälmann brechen. Teddy muss weg!