Boring Germany

Wenn der mächtigste Mann der Welt Berlin seine Aufwartung macht, dann gibt es für hiesige Medien kein Halten mehr: Berichterstattung rund um die Uhr, Live-Ticker, Expertenrunden, Sondersendungen und -seiten – das volle Programm. So war es vergangene Woche, als Barack Obama die deutsche Hauptstadt rund 25 Stunden lang besuchte. Kaum ein Schritt blieb unbeobachtet, kaum ein Wort ungehört. Alle Beteiligten waren darauf bedacht und darum bemüht, dieses »historische Ereignis« ganz groß in Szene zu setzen.
Schließlich mangelte es nicht an Symbolkraft. Der Präsident der USA spricht genau 50 Jahre nach dem berühmten John F. Kennedy vor dem Brandenburger Tor! Auf der Ostseite! Dort, wo noch vor 24 Jahren die Mauer stand, der Kalte Krieg quasi mit Händen zu greifen war! Da kann einem schon heiß werden. Gerade als Journalist. Der Aufwand der Medien entsprach folglich der gigantischen Erwartung. Und der Ertrag? Na ja, der hielt sich arg in Grenzen.
Das lag nicht zuletzt an Obamas Rede. Die war weder »historisch« noch besonders mitreißend. Sie glich eher einer thematischen Stopfwurst. Alles drin, aber damit auch irgendwie beliebig. Freiheit, Frieden, Krieg, Terror, Abrüstung, Sicherheit, Klima, Gleichberechtigung, Toleranz, Verantwortung – von allem ein bisschen. Aber eine Grundidee? Eine Botschaft? Fehlanzeige. Schon nach einer Woche ist die Erinnerung an das Gesagte verblasst. Ach ja, da gab’s doch was: Dem Präsidenten war wie seinen Zuhörern ziemlich warm. Also zog er sein Sakko aus und krempelte die Ärmel seines Hemds hoch. Charme kann er. Der Rest allerdings war Routine.
Auch beim Politischen blieb das Denkwürdige aus. Klar, es mangelte nicht an Bekenntnissen zur deutsch-amerikanischen Freundschaft. Angela Merkel wurde mehrfach lobend erwähnt. Für Deutschlands Rolle in der Welt hatte der berühmte Gast aus Amerika ebenfalls wohlmeinende Worte parat. Selbst wenn man sich in grundlegenden Fragen wie dem Syrien-Krieg und dem Ausspähen von Daten nicht einig ist.
Dennoch spürte man, dass es die Vereinigten Staaten derzeit mit Europa und dem Transatlantischen nicht so haben. Okay, eine Freihandelszone wäre schon eine feine Sache. Der wirtschaftlichen Entwicklung zu Liebe. Allerdings bekommen Asien und der pazifische Raum offenkundig eine immer größere Bedeutung. Die Bindung an den Alten Kontinent hat ihre einstige Stärke verloren. Washington setzt jetzt andere Prioritäten. Die amerikanischen Medien sind dafür ein recht guter Gradmesser. Sie haben dem Besuch ihres Präsidenten in Berlin wenig Beachtung geschenkt. Der Online-Ausgabe der New York Times etwa war das Ereignis kaum mehr wert als eine längere Meldung. Obama goes Germany? Sorry, einfach nicht wichtig genug.