Malis Regierung, die Tuareg und die Rolle Frankreichs

Im Gleichschritt mit Frankreich

Die Regierung Malis hat ein Abkommen mit den Tuareg-Separatisten unterzeichnet. Wurde sie von der französischen Regierung unter Druck gesetzt?

Es ist nicht unbedingt ein Vergnügen, bei sommerlicher Hitze im Gleichschritt zu marschieren. Doch gilt es als Ehre, an der jährlichen Militärparade in Paris am 14. Juli, dem Nationalfeiertag Frankreichs, teilnehmen zu dürfen. Diese Ehre wird seit mehreren Jahren auch Ausländern zuteil, denn die französischen Regierungen laden verbündete und umworbene Staaten zur Teilnahme ein. Die Gäste dürfen sogar vorne marschieren.
Im vorigen Jahr waren afghanische Soldaten dabei, diesmal soll die französische Intervention in Mali bei der Truppenschau am Nationalfeiertag gefeiert werden. Eröffnen soll die Parade eine Abordnung der malischen Armee, gefolgt von Kontingenten derjenigen afrikanischen Staaten, die am Einsatz der UN-Truppe Misma in Mali teilnehmen. Dahinter werden die französischen Einheiten der Opération Serval, der Mali-Intervention in der ersten Jahreshälfte, aufmarschieren.
Zumindest oberflächlich kann Frankreich sein Eingreifen in Mali damit vor dem heimischen Publikum als Erfolg präsentieren. In den französischen Medien ist das westafrikanische Land fast völlig aus den Schlagzeilen verschwunden, während in Mali die Präsidentschaftswahlen vorbereitet werden, deren erster Durchgang am 28. Juli stattfinden soll.

Doch unter den Malierinnen und Maliern wächst die Unzufriedenheit. So wird etwa der Wahltermin kritisiert, und dabei geht es nicht um oberflächliche organisatorische Einzelheiten. Das Datum liegt sowohl zu Beginn der Regenzeit, die für die ländliche Bevölkerung eine besonders intensive Tätigkeit auf den Feldern mit sich bringt, als auch inmitten des Fastenmonats Ramadan. Um dann stundenlang vor den Wahllokalen anzustehen, müssen die Menschen schon über reichlich Geduld verfügen. Man muss damit rechnen, dass bedeutenden Teilen der Bevölkerung durch die Wahl des Termins eine Teilnahme erheblich erschwert wird.
Kritisiert wird von vielen politischen Gruppen auch, dass die Wahl so früh stattfinden soll. Nur die bereits etablierten und mit viel staatlichem Geld ausgestatteten Parteien der malischen Oligarchie, wie die an den meisten Regierungen der vergangenen 20 Jahre beteiligte Partei Adema, werden mit einem gut organisierten Wahlkampf um Stimmen werben können. Überdies sind die Folgen des Konflikts in Nordmali noch längst nicht bewältigt. Etwa 450 000 Flüchtlinge aus der 2012 von Jihadisten und Tuareg-Separatisten besetzten und danach umkämpften Nordhälfte Malis leben noch immer in anderen Landesteilen oder müssen in den Nachbarländern Mauretanien und Burkina Faso in Auffanglagern ausharren. Die Wählerregistrierung und Vorbereitungsmaßnahmen, die eine geheime und freie Wahl garantieren, können bis Ende kommenden Monats kaum vollständig bewältigt werden.
Die Wahlen dürften von Frankreich, der EU und den Teilnehmern der infolge der Mali-Krise einberufenen »Geberkonferenz« in Brüssel als Demokratisierungserfolg gefeiert werden. Viele Beobachter mutmaßen, dass diese Staaten die amtierende Übergangsregierung zu einem frühen Wahltermin drängten. Das Ziel sei, die bislang das Land regierende Oligarchie, die als Garantin der Interessen von europäischen, aber auch nordamerikanischen und chinesischen Investoren betrachtet werde, zu stabilisieren. Der Oligarchie verschaffe dies eine oberflächlich aufgefrischte demokratische Legitimität, die Interventionsstaaten könnten ihr Eingreifen als Erfolg darstellen.

Eines der letzten ernsthaften Hindernisse auf dem Weg zu den Wahlen wurde nun mit Hilfe des Präsidenten von Burkina Faso, Blaise Compaoré, aus dem Weg geräumt. Er war als Vermittler in Mali von Frankreich und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) favorisiert worden. Am Dienstag vergangener Woche konnte er nach mehrtägigen zähen Verhandlungen in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, die Unterzeichnung einer wichtigen Vereinbarung verkünden. In dem Abkommen, das eigentlich schon zehn Tage früher hätte unterschrieben werden sollen, verpflichten sich die malische Zentralregierung in Bamako und die Tuareg-Separatisten der Nationalen Befreiungsbewegung für Azawad (MNLA) zu einem friedlichen Arrangement.
Bislang waren die Truppen der Zentralregierung nicht im Nordosten des malischen Staatsgebiets, in Kidal, präsent. Seit der Vertreibung der Jihadisten aus dieser Region, die im Februar dieses Jahres begann, wird sie von der französischen Armee zusammen mit dem MNLA kontrolliert. Zuvor saß die MNLA-Führung in Ouagadougou unter dem Schutz Compaorés, nachdem ihre taktische Allianz mit den Jihadisten im Juni vorigen Jahres zerbrochen war und ihre Anführer aus Nordmali vertrieben worden waren. Doch die französische Armee hatte den MNLA als ihren Verbündeten wieder aufgepäppelt.
In Südmali verdächtigt man die französische Regierung seit langem, den Separatismus eines Teil der Tuareg-Bevölkerung im Norden insgeheim zu fördern, um Mali unter Druck setzen zu können, falls dessen Regierung zu starke Eigeninteressen anmelde. Tatsächlich gibt es im französischen Militärapparat Sympathien für »die Tuareg«, die mit ethnisierenden Projektionen und einem längst der Vergangenheit angehörenden Bild von »noblen Wüstenkriegern« verbunden sind.
Bislang wandten viele Malierinnen und Malier gegen den geplanten Wahltermin ein, zuvor müsse »das ganze Land befreit«, also unter Kontrolle der malischen Regierung sein. Derzeit aber untersteht eine Region im Norden dem MNLA und den Franzosen. Nach zähen Verhandlungen erklärte der MNLA am 10. Juni seine Bereitschaft zur Unterzeichnung des jetzt geschlossenen Abkommens. Doch die Regierung in Bamako weigerte sich weiterhin. Daraufhin reiste am 12. Juni Compaorés Außenminister Djibril Bassolé nach Bamako, wo es sechs Stunden lange zähe Debatten mit Regierungsvertretern gab. Und glaubt man der Pariser Abendzeitung Le Monde, bedurfte es persönlicher »Telefonanrufe von François Hollande und von Blaise Compaoré«, um die malische Seite zu überzeugen, ihrerseits die Vereinbarung zu unterzeichnen.
Der Ablauf lässt ziemlich klar erkennen, welche Seite sich bei dieser Auseinandersetzung eher als Sieger wähnt und welche Seite unter Druck gesetzt wurde. Inhaltlich regelt das Abkommen allerdings noch gar nichts, jedenfalls nicht dauerhaft. Es erlaubt einerseits den Einzug der malischen Armee nach Kidal, andererseits aber darf der MNLA seine Waffen behalten und die französische Armee wird als Puffer zwischen beiden am Flughafen stationiert.
Die Entwaffnung der Tuareg-Separatisten wird zwar in dem Abkommen angesprochen und als Ziel genannt, jedoch nicht vorgeschrieben. Vielmehr werden den weiterhin bewaffneten MNLA-Kämpfern eigene Stationierungsorte zugewiesen. Alles weitere, also ihre dauerhafte Entwaffnung und Wiedereingliederung, sei es ins Zivilleben oder eventuell in die Armee und andere Staatsorgane, soll ein späteres Abkommen regeln, das spätestens zwei Monate nach der vorgesehenen Wahl ausgehandelt werden soll. Ein aufgeschobenes Problem ist allerdings noch lange kein gelöstes.