In Berlin protestieren Bürger gegen ein Flüchtlingsheim

Im wilden Westend

Im Berliner Bezirk Charlottenburg protestieren Bürger gegen eine Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Westend.

Nachdem die Berliner Morgenpost über die Planungen für eine Flüchtlingsunterkunft in der Soorstraße im Bezirk Charlottenburg berichtet hatte, tauchten erste Flugblätter auf. Eine anonyme Initiative warnte vor einem »psychischen hohen Bedrohungspotential«. Zudem wurde die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, Asylbewerber und Asylbewerberinnen könnten in den angrenzenden Gärten und Hausfluren herumlungern.

Wer im bürgerlichen Charlottenburg etwas gegen die Unterbringung von Flüchtlingen hat, konnte sich noch bis vor wenigen Wochen auf den Unterschriftenlisten der Initiative verewigen. Diese lagen in einem Getränkeladen und in einem Café aus. Nach einem Anruf des Flüchtlingsrats Berlin-Brandenburg und kritischen Online-Kommentaren über die Unterschriftensammlung im Café verschwanden die Listen. Die Räume werden allerdings von Gegnern des Flüchtlingsheims weiterhin für Treffen genutzt.

Am 12. Juni jedenfalls waren sie alle da. Der Bezirk und die Betreiberfirma des Heims, Gierso Boardinghaus, hatten zur Informationsveranstaltung geladen. Diskutiert wurde letztlich über vollendete Tatsachen, denn 270 Flüchtlinge aus Afghanistan, Bosnien, der Zentralafrikanischen Republik, Tschetschenien, Syrien und Aserbaidschan haben ihre Unterkunft längst bezogen.
Eine Vertreterin von Gierso stellte ihre Arbeit vor und versuchte, Verständnis für die Geflüchteten zu wecken – begleitet von ständigen Unterbrechungen und dem fortwährenden Geraune der Gegner der Unterkunft. Einer ihrer Wortführer, der sich als Manfred Winkel vorstellte, sagte, die Bürger hätten nichts dagegen, dass die Menschen kommen, »aber nicht in dieser Anzahl«. Die Anzahl – das war das Schlagwort des Abends.

Die Mitarbeiterin von Gierso versuchte, Befürchtungen zu zerstreuen. Es gebe Kontakt zum lokalen Polizeiabschnitt, auch ein Pförtner sei 24 Stunden zugegen. »Negativbilder aus der Presse, wie Müll oder Essen auf den Fensterbänken«, würden sich nicht bewahrheiten. Der Stadtrat für Gesundheit und Soziales, Carsten Engelmann (CDU), ergriff das Mikrophon. Man unterstütze im Kreisverband den Prozess und gedenke nicht, die Unterkunft zu verhindern. Aber, so betonte er, sobald sich die Situation in den Herkunftsländern bessere, würden die Menschen wieder dahingehen, wo sie hergekommen seien. Derlei Zugeständnisse ans Ordnungsbewusstsein wurden allerdings nicht honoriert.
Ein älterer Anwohner sagte: »Ich habe nichts gegen Ausländer, ich habe nur etwas gegen die Überfremdung Berlins. Neulich bin ich durch Neukölln gefahren und habe keinen einzigen Deutschen auf der Straße gesehen.« Eine Frau mittleren Alters entgegnete ihm: »Ganz ehrlich. Ich schäme mich für meine Nachbarn.«

Was als Dialog gedacht war, geriet zu einer Konfrontation von humanistischer Restvernunft und »Ausländer raus«-Mentalität. Der Unterschied zu anderen Veranstaltungen dieser Art war allerdings, dass diejenigen, die Unterstützung für die Flüchtlinge anboten, weitaus stärker vertreten waren. So unterstützt bereits ein Netzwerk mit dem Namen »Willkommen im Westend«. die Flüchtlinge
Christliche Vereine, Parteien und Anwohner boten im Laufe der Veranstaltung schulische Nachhilfe und Unterstützung im Alltag für die Bewohner des Heims an. Ein Vertreter des Fußballclubs Tennis Borussia schlug gemeinsame Fußballbesuche vor, ein Vertreter der Kampagne »Rassismus tötet« die Kontaktaufnahme mit einer Fahrradwerkstatt, die Flüchtlingen die Mobilität erleichtet. Einen »Open Space« mit den Flüchtlingen regte ein weiterer Anwohner an. Erstaunlich still war es seitens der Kritiker, als es um konkrete Hilfe ging. Da konnten auch die Kriegs- und Fluchtbilder, die an den Wänden des Veranstaltungsraums hingen, nichts an ihrer ablehnenden Haltung ändern.